Crystall (German Edition)
einer hauchenden Stimme, als versuche jemand, der nicht mehr richtig atmen konnte, zu sprechen. Natürlich verstand sie die Worte nicht.
Dann wurde es wieder still. Mandy stellte ihre Ohren auf, doch die Geräusche blieben verstummt. Neugierig verweilte sie am Ort und blinzelte angestrengt in den dunklen Wald. Alles war leise und einsam.
Wie so oft in letzten Tagen hörte sie nicht auf ihr inneres Gefühl und trat sachte ein paar Schritte in den Wald hinein, obwohl ihr Herz schlug wie ein altes Uhrwerk und eine unsichtbare Hand die Kehle abschnürte. Sie wusste nicht wieso, aber erneut siegte die Neugier über die nackte Angst, die sie fast lähmte. Auch wenn sie mutig voran schritt, wusste sie im Grunde, dass sie bei jeder Gefahr vor Schreck stehen bleiben würde und zusehen, was geschehen mochte. Aber all das hielt sie nicht auf.
Mandy drang gute dreißig Meter in den Wald vor, als sie endlich stehen blieb und angestrengt nach vorn starrte.
Da war etwas.
Mandy gab sich die größte Mühe, alle Einbildungen und Fantasie abzulegen, bis sie nur noch das eine sah und das mit genügend Deutlichkeit, um ihr einen eisigen Schauer über den Rücken zu jagen.
In nur wenigen Metern Entfernung befand sich etwas, was zunächst wie ein Schatten wirkte. Dann wurde das Bild genauer, als sich ihre Augen an die Finsternis gewöhnten. Was dort auch immer sein mochte, es schwebte Zentimeter über dem Boden und erinnerte an eine Rauchwolke, die sich ständig verformte und jederzeit irgendwie menschliche Konturen annahm. Die Kreatur war groß und lief oberhalb spitz zu, als säße darauf ein Zaubererhut.
Mandy schluckte hart und ließ den Mund offen stehen, als wolle sie etwas sagen, konnte es nur einfach nicht. Sie sah atemlos zu, wie sich der schwarze Qualm zu drehen schien und für einen winzigen, kaum fassbaren Moment glaubte Mandy, zwei höhnische Augen in dem Rauch erkennen zu können. Dann wurde die Schwärze im Wald noch dichter und die unmenschliche Rauchwolke wurde endgültig zu einem Schatten, der einer Person gehörte. Und diese kam auf Mandy zu.
Es war aus!
Das Mädchen blieb, wie sie geahnt hatte, bewegungslos stehen und starrte entsetzt auf den Schatten eines zierlichen Wesens, der ihr unaufhaltsam näher kam. Wer auch immer dort sein mochte, im Gegensatz zu Mandy konnte dieser sehen und wusste, wo sie war.
Mandys Hände zitterten, wurden feucht. Sie war nahe davor, einfach lauthals loszuschreien. Sie keuchte und ihr Puls schlug härter, je näher der Fremdling dem Mondlicht kam. Die Konturen wurden deutlicher und Mandy erkannte eine schmale Gestalt, größer als sie und mit langer Haarpracht.
Eine Frau.
Mandy setzte einen Schritt zurück, blieb dann aber wieder schweigend und wie gelähmt stehen und wartete mit Entsetzen, dass diese Frau endlich in den Strahl des silbernen Mondes trat.
Es war Ry!
Mandys Erschrecken wäre nur halb so groß gewesen, wenn die Frau wie immer gewesen wäre. Ihre Gesichtszüge glichen einem höhnischen Grinsen, ihre Bewegungen einem angreifenden Raubtier. Und sie war nackt, von Kopf bis Fuß. Ry war eine unvergleichliche Schönheit, doch das gehörte jetzt nicht hierher. Mandy war der Ohnmacht nahe, das spürte sie. Voller Machtlosigkeit starrte sie auf Rys Körper, der einzig dazu geschaffen schien, zu verführen.
„Was hast du?“, erklang eine hauchende Stimme aus Rys Mund, als spreche der Wind selbst. Sie kam ihr näher, grinste spöttisch und schmiegte sich an Mandys Körper, fasste ihr in den Schritt ...
Mandy schrie auf, schloss die Augen und hämmerte in wilder Panik um sich. Sie war dem Entsetzen verfallen und wusste nicht mehr, was sie tun sollte und schlug blind um sich, bis starke Hände ihre Gelenke packten und festhielten.
„Mandy ... Mandy, so beruhige dich doch.“
Es war nicht so sehr der Sinn in den Worten, sondern viel mehr die Tatsache, dass sie menschlich klangen und Mandy wach rüttelten. Sie hörte auf zu schreien und ihre Gegenwehr wurde lahm. Dann öffnete sie die Augen und all ihre schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht. Stattdessen starrte sie in ein verblüfftes Gesicht, das R´Ryah auftrug.
Mit letzter Kraft riss sich Mandy los und sprang einen Schritt zurück. Überrascht musterte sie die Frau, deren Augen in Sorge standen. Sie sah an ihr herab und stellte fest, dass Ry noch immer die gleichen Kleider trug, wie schon den ganzen Tag. „Du ... du bist ja angezogen.“
Ry blinzelte jetzt ehrlich verblüfft. „Natürlich, was
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