Crystall (German Edition)
glaubst du denn. Warum gehst du eigentlich auf mich los, hast du gedacht, ich verführe kleine Mädchen?“
Bei den Worten erschrak Mandy neuerlich. „Na ja, ich ... du hast...“
„Ist schon gut“, seufzte Ry und lief auf Mandy zu, um ihr einen Arm um die Schulter zu legen. „Du hast dich wohl erschrocken, was? Ich gebe ja zu, es ist nicht unbedingt üblich, im Dunkeln nach Kräutern zu suchen, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du hier herum streunst.“
„Ich wollte nur ... entschuldige, Ry.“
„Mach dir mal keine Sorgen, ich bringe dich jetzt erst mal wieder unter Leute.“
„Das wird wohl besser sein.“ Mandy erholte sich überraschend gut von dem Schock, sie begann allmählich wieder klar zu denken. Mittlerweile war ihr die ganze Sache nur noch peinlich. „Du wirst doch niemandem davon erzählen, oder?“
„Bestimmt nicht ... wie hat übrigens die Suppe geschmeckt?“
Der Gedankenwechsel kam so rasch, dass Mandy erst überlegen musste. Dennoch bedachte sie die Wahl ihrer Worte. „Sehr gut, vielen Dank.“
„Na, das freut mich.“
Den Rest des Weges schwiegen sie. Ry begleitete das Mädchen bis zu ihrem Wagen und kümmerte sich um sie, wie eine Mutter. Sie redete Mandy dauernd gut zu und gab ihr reichlich Wasser. Erst als sie davon überzeugt war, dass sie wieder klar denken konnte, wünschte sie eine gute Nacht und verschwand aus ihrem Wagen.
Mandy schlief noch nicht ein, dafür kam sie sich viel zu albern vor. Was für ein erniedrigender Vorfall das doch gewesen war. Aber er schien so real und sie hatte da draußen irgendetwas gespürt ...
Ein lautes Poltern riss Mandy am nächsten Morgen brutal aus dem Schlaf. Von einer zur anderen Sekunde saß sie kerzengerade im Bett und blinzelte verschlafen und erschrocken zur Tür, die mit einem markerschütternden Quietschen aufschwang. Die Angeln mussten uralt sein und lange nicht mehr gefettet. Dafür drang nun grelles Licht in den Wagen und füllte ihn gänzlich aus. Da es bisher stockdunkel gewesen war, empfand sie die plötzliche Helligkeit als doppelt unangenehm. Der breite Lichtbalken nahm ihr die Sicht und trieb ihr Tränen in die Augen.
Sekunden später schloss sich die Tür bis auf einen Spalt, damit die Sonne nur spärlich eindringen konnte. Im Wagen stand nun R´Ryah, sie lächelte und setzte sich unaufgefordert an die Bettkante. „Na, mein Murmeltier, haben wir endlich ausgeschlafen?“
„Was heißt endlich“, beschwerte sich Mandy und gähnte demonstrativ. Sie gab sich einen Ruck und schwang aus dem Bett. Mit müden Bewegungen streifte sie sich ihre Kleider über.
„Das Frühstück hast du verpasst“, erzählte Ry mit einem leisen Anflug von Spott. „Und mach schon, Nawarhon will in den nächsten Minuten aufbrechen, alle warten nur auf dich.“
Mandy blinzelte der Frau verlegen zu. „Oh, wieder mal meinetwegen. Das gibt sicher wieder ne Standpauke. Gut, ich bin gleich soweit, auf Frühstück kann ich verzichten.“
„Wenn du meinst.“ Ry stand auf und machte Anstalten zu gehen.
„Einen Moment“, bat Mandy kleinlaut. „Wegen gestern, es...“
„Wovon redest du?“
„Ich...“ Mandy starrte die Frau verwundert an.
Ry lächelte und verließ schließlich den Wagen.
Anderweitig gab es keine Vorkommnisse mehr und Mandy war damit beschäftigt, ihren Plunder zusammen zu kramen und sich aufbruchbereit zu machen. Auf Frühstück verzichtete sie tatsächlich, stattdessen lief sie nur noch etwas im Lager umher, dass schon zur Hälfte Reiseklar gemacht worden war. Mandy entdeckte nur zwei oder drei Künstler, die ihre Vorführung auch jetzt noch gaben. Einige wenige standen vor der Bühne und sahen zu – allerdings mit weitaus weniger Begeisterung als noch am Abend zuvor. Ansonsten redete sie mit niemandem, sondern begnügte sich damit, Jennys Spielsucht zu besänftigen.
Als sie dann endlich aufbrachen, war es auch schon so gut wie Mittag, in jedem Wagen der Karawane befanden sich zwei oder mehr bewaffnete Schutzpersonen. Sie würden kaum noch Rast einlegen und gegen Abend feindliches Land erreichen. Momentan war noch alles ruhig, die Wagen fuhren holpernd, aber gemächlich vorwärts. Von der üblichen Nervosität, die jene Karawane eigentlich überfallen sollte, war nichts zu spüren.
Mandy saß diesmal in einem Gespann in den vordersten Reihen, gemeinsam mit Lyhma, einem Echsenwesen sowie ihren besten Freunden Nirrka und Maxot. Jenny musste irgendwo unter den Holzbänken liegen.
„Halten wir eigentlich noch
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