Crystall (German Edition)
Mandy wollte sich gar nicht mehr zu genau daran erinnern. Mit den Bewohnern waren auch sämtliche Behausungen zerstört worden, größtenteils nieder gebrannt. Noch vor Ort hatte Mandy Reste von Feuer gesehen und den reizenden Rauch im Rachen gespürt. Mit samt den Waren hatte die Horde alles abgefackelt und bewies, dass der Überfall nicht einmal irgendwelchen strategischen Wert hatte. Kein Verschonen, keine Gefangen, alle Bewohner waren getötet worden und liegen gelassen, wo sie waren. Weder Kinder noch Frauen hatten überlebt. Es gab nur sehr wenige, die das Pech teilen mussten, noch qualvoll am Leben zu sein. Eine der Frauen hatte für Sekunden sogar sprechen können, Mandy erinnerte sich genau an die Worte. Die schwarzen Bestien waren hier, diese Teufel, sie haben alles nieder gemetzelt. Dieser seltsame Reiter, dieser Anführer ... er war der schlimmste von allen. Er hat uns im Angesicht des Todes verhöhnt und ausgelacht ... und langsam abgeschlachtet. Ihr müsst sie aufhalten, es ist eine Invasion, schon viele Städte und Dörfer von Mindor bis Nadju haben sie zerstört. Jemand muss sie aufhalten ... Wie auch die anderen Überlebenden, so war auch diese Frau letztlich gestorben. Zurück blieb das Entsetzen, schon Dutzende mussten unter ihrer gnadenlosen Hand verendet sein. Das musste ein Ende haben. Fast schwerfällig waren sie schließlich zu den Wagen zurückgekehrt, einige wenige hatten Tränen in den Augen. Die Atmosphäre in dem einstigen Ort war bedrückend gewesen und hatte gezeigt, was für ein Gegner ihnen bevor stand. Deshalb vervielfachten sie ihre Vorsicht schließlich auch, als sie aufbrachen. Schweigen hatte geherrscht, tiefe Stille. Der Aufenthalt in dem abgebrannten Dorf und das gemächliche Vorwärtskommen hatten ihnen eine Menge ihrer Zeit gekostet und als die Abenddämmerung in Sicht war, hatte Nawarhon verkünden lassen, noch einmal Rast zu machen. Es wäre nicht klug gewesen, im Dunkel der Nacht einen überlegenen und in schwarz gehüllten Feind anzugreifen. Mit abwechselnder Bewachung hatten sie auch diese Nacht überstanden, in der sich Mandy größtenteils zurückgezogen hatte. Auch R´Ryah bekam sie nicht mehr zu Gesicht. Oder war sie tatsächlich nicht mehr unter der Karawane?
Und nun hatten sie diesen grausamen Feind vor sich. Mandy verzog verächtlich das Gesicht und schüttelte den Kopf. Die Gleichgültigkeit dieser Bande machte auch sie fast rasend. Sie konnten doch nicht wirklich ungesehen bleiben?
„Es ist bald soweit“, verkündete der Prinz mit leiser Stimme. Seinen ungefähren Plan hatte er während der Fahrt verkündet. Aber ehrlich gesagt glich sein Vorschlag eher einer hilflosen Notgeste, denn einer wirklichen Strategie. Er musste das selbst wissen. „Und wenn sie uns noch so viel verspotten wollen, wir werden sie angreifen ... bald. Sie sind weder wachsam noch formiert, vielleicht haben wir eine kleine Chance.“ Er gab einen Wink.
Die Karawane verstand diesen Befehl und folgte ihm auf Anhieb. Alle zum Kampf bereiten Wesen verließen die Wagen. Die Hälfte der Streitmacht baute sich zu einer langen Front, bewaffnet mit Schwertern, Speeren und Schilden. Der Rest der Truppe schuf aus den Gespannen einen Schutzwall und bewaffnete sich mit allen Arten von Wurfgeschossen. Das alles ging rasch und nahezu lautlos vonstatten.
Nawarhon stand ganz vorn und warf einen letzten Blick auf Mandy. „Ich weiß, dass du den dritten Kristall beherrschst und helfen möchtest, aber bitte halte dich diesmal zurück. Wenn wir dich verlieren, war alles umsonst.“ Der Prinz gähnte leise.
Mandy war die einzige, die ihn verblüfft anstarrte. Dann warf sie einen Blick in die Runde und...
Bildete sie sich das nur ein oder sahen die wirklich alle müde und erschöpft aus?
Etwas stimmte doch nicht.
Nawarhon hob das Schwert. „Denkt an die Besprechungen und nutzt ihre Unaufmerksamkeit. Wir können sie schlagen, wir müssen es. Vorwärts!“
Damit begann die Katastrophe.
Mandy blieb nichts anderes übrig, als tatenlos das Grauen zu beobachten, obwohl jede Faser in ihrem Körper danach schrie, den Freunden zu helfen. Aber gleichzeitig hatte sie auch Angst, denn sie waren der schwarzen Armee mehr als deutlich unterlegen.
Der Kampf verlief völlig anders, wie Mandy noch vor Augenblicken erwartet hätte. Statt frontal und brüllend auf den Feind zu stürzen, ging Nawarhons Truppe taktisch vor. Anscheinend war der junge Prinz doch nicht so dumm, sondern versuchte seinen winzigen Vorteil
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