Crystall (German Edition)
schnell und ohne Schmerzen sollte es gehen.
Ihr Wunsch wurde nicht erfüllt, jedenfalls noch nicht so bald. Dennoch schlich das Wesen in unmittelbarer Nähe umher und musste zumindest etwas wittern. Aber warum zögerte es dann noch?
Mandy fuhr unweigerlich zusammen, als sie ein Schaben und Kratzen an der Holztür vernahm. Sie presste sich so eng an die Wand, als könne sie diese mit bloßer, menschlicher Kraft einreißen. Neuerlicher Schweiß brach auf ihrer Stirn aus und das Schwert in den Händen schien plötzlich Zentner zu wiegen.
Die düsteren Raubtierlaute wurden deutlicher und Mandy spürte einfach, dass der Höllenwolf direkt vor der Hütte stand und wahrscheinlich überlegte, wie er am besten eindringen konnte.
Ihr Körper bebte noch immer so heftig, dass ihre Kiefer aufeinander schlugen, trotzdem atmete sie tief durch und zwang sich einen Moment zur Ruhe. Sie fand keine wirkliche Konzentration, begann jedoch in Bruchstücken nach einem Ausweg zu grübeln. Langsam, als könne jede Bewegung das Untier anlocken, drehte sie den Kopf auf die Seite und starrte aus der glaslosen Fensteröffnung. Sie benötigte viel Zeit, um zu begreifen, was das bedeutete: Ein zweiter Ausgang.
Sie kam nicht dazu, einen Plan zu fertigen, denn ihre Gedankenbahnen gingen einfach zu stockend und diese Zeitspanne genügte dem Jäger da draußen vollkommen. Mandys Herz machte einen stechenden Satz, als der Dämon mit dem ganzen Gewicht seines gewaltigen Körpers gegen die Tür prallte, und zum ersten Mal spürte sie, was die Floskel Das Herz in der Hosentasche tragen bedeutete.
Das Glück blieb ihr beim ersten Versuch treu. Die Tür hielt dem wütenden Anprall stand und ließ nur ein ächzendes Knarren hören, gefolgt von einem wütenden Knurren der Bestie. Mandy fragte sich mit einem Mal, wie dumm dieses Wesen sein musste, dass es bei seiner Kraft immer wieder Hindernisse unterschätzte. Da es nicht zimperlich sein konnte – unmöglich bei einer solchen Höllenkreatur – musste es schlicht vollkommen ohne einen Funken von Intelligenz sein. Jeder herkömmliche Wolf hätte sie längst erledigt gehabt. Diese Teufelskreatur da draußen konnte doch nicht ernstlich Respekt vor ihr haben? Aber irgendetwas war da, etwas, das ihr Ende drastisch hinauszögerte und das dem Höllenwolf vielleicht keine Furcht einflösste, zumindest aber Ehrerbietung.
Wie schon bei der Begegnung in der ersten Hütte unterliefen der Kreatur niemals zwei gleiche Fehler. Erneut warf sie sich wuchtig gegen die Holztür und diesmal erfolgreich. Der Flügel sprang auch nicht einfach nur auf, sondern zersplitterte regelrecht, während ein Regen von Holzspänen ins Zimmer flog.
Mandy erkannte sehr wohl, dass sich das Untier weder orientieren musste, noch irgendwie verwundet wurde. Es hielt direkten Kurs auf das Mädchen und zwar mit einer Kraft und Schnelligkeit, dass Mandy einen leichten Luftzug verspürte. Und sie sah die Schnauze auf sich zu rasen, bestückt mit dolchlangen Zähnen. Dieser Umstand löste ihre Spannung vollkommen. Die nächsten Sekunden verstrichen wie in Trance und so unglaublich schnell, dass Mandy hinterher keine Ahnung mehr hatte, was geschah.
Hastig wirbelte sie herum und sprang gleich aus dem Stand ab. Ihre Aktion wäre rekordverdächtig gewesen, als sie wie von der Feder geschnellt gut anderthalb Meter in die Höhe stieg und durch die Wandöffnung flog. In Millimeterarbeit und wie hundert Mal trainiert und geplant, gelangte sie durch das schmale Fenster – nicht einmal mit dem Schwert blieb sie stecken. Draußen rollte sie sich elegant über die Schulter ab und wälzte sich hastig auf den Rücken, um im Notfall den Feind sehen zu können.
Dieser Zug blieb nicht unbegründet, wie Mandy zeitig feststellen musste. Der Höllenwolf zögerte kein Stück mehr und haftete ihr diesmal unmittelbar an den Fersen. Und er machte sich gar nicht erst die Mühe, Fenster oder Tür zu benutzen. Er rannte glattweg durch die Hauswand, was dem Wesen noch mehr geisterhaftes verlieh, als ohnehin schon. Mandy sah einen Dämon aus der Unterwelt aufsteigen, wie er so durch den Zement brach, eingehüllt in graue Wolken inmitten eines feinen Steinregens, der zusätzlich sein Fell bedeckte. Und all das hielt ihn nicht auf.
Mandy lag wehrlos auf dem Rücken und blickte dem Monster aus schreckgeweiteten Augen entgegen. Sie konnte einfach nicht mehr gewinnen, schloss die Lider und hob die Schwertklinge blind in Richtung der Kreatur.
Die kümmerte sich keine Spur
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