Crystall (German Edition)
Kraft benötigt hatten.
Natürlich bekam sie keine Antwort, nicht, wenn das Ding in den Schatten ein Tier war. Aber es musste hören und spüren, dass sein Opfer riesige Angst hatte.
Mandy stand da, die Augen weit aufgerissen und darauf wartend, was nun Grausames geschehen würde. Sie könnte nicht darauf reagieren, was auch immer es sein sollte.
Wieder bewegten sich die Schatten, flossen dahin wie Wellen im Meer und lautlos diesmal.
„Komm schon“, murmelte Mandy mehr zu sich selbst, als an das Fremde gewandt. Und im selben Moment starb sie tausend Tode und verspürte eine Angst und Widerwertigkeit, wie noch nie zuvor.
Denn das Monster löste sich aus den Schatten, trat in das Mondlicht und starrte Mandy an.
Was dort erschien, vermochte das Mädchen nicht einmal vollkommen zu beschreiben, denn sie sah eine Kreatur, wie man sie allerhöchstens aus Fieberträumen kannte und die einfach nur hässlich und bösartig waren, nicht aber klar zu erkennen. Das Ding vor ihr stellte nichts anderes dar, einfach ein Monstrum, bizarr, gefährlich und aus den tiefsten Tiefen der Hölle stammend. Das Wesen verströmte eine Aura bodenloser Grausamkeit und schien die Erde um sich herum mit seinem Argwohn zum Erzittern zu bringen. Ein drohendes, dunkles Knurren drang aus der Brust des Ungeheuers und die Augen kamen Mandy wie vor wie zwei winzige Spiegel, durch die man bis in die Seele hinabblicken konnte. Und genauso erging es dem Mädchen, es fühlte, dass eine unsichtbare, kalte Hand nach ihrem Inneren greifen wollte und sich dort an ihrer Angst labte. Was auch immer das Wesen sein mochte, es war kein gewöhnliches Tier.
Mandy stand wie gelähmt, dennoch versuchte sie irgendwie eine Musterung des Feindes. Sie fand nur schwer Worte dafür. Auf den ersten Blick schien ihr alles beinahe klar, doch das Untier entzog sich auf unheimliche Weise einer näheren Beschreibung und letztlich fand Mandy nur einen Begriff: Fabelwesen. Das Monster glich auf direkte Weise nichts, was Mandy jemals zuvor gesehen oder auch nur gehört hatte. Und dabei war sie in dieser Welt vielen Überraschungen offen. Aber die Kreatur konnte auch gar nicht von sterblicher Oberfläche stammen, wie ein künstlicher Nebel hatte sich Schwefeldunst gebildet, begleitete die Höllenbestie und verlieh ihr etwas Infernalisches.
Ein Wolf.
Natürlich handelte es sich nicht wirklich um einen, dann hätte Mandy wahrscheinlich nur Angst gehabt und befände sich nicht schon im Sterbeprozess. Aber das war es, was ihr auf den ersten Blick deutlich wurde. Das Wesen ähnelte einem übergroßen Wolf. Doch wenn ihre Augen weiter glitten und Details erforschten, wurden auch die Zweifel stärker und Mandy gab es irgendwann auf, einen alles erfassenden Begriff zu finden. Zumindest stand vor ihr ein Vierbeiner in grauem, fast staubigem Fell und besaß – wenn man von Details absah – die Statur eines anderthalb Meter hohen Wolfes. Sein Körper wirkte muskulös und schwer, der buschige Schwanz pendelte langsam hin und her und scharrte dabei über den Schnee, als wären die feinen Haare in Wirklichkeit ein Geflecht aus Eisenstreben. Ebenso unnatürlich empfand Mandy die krallenbewehrten Pfoten, die gute zwanzig Zentimeter lang sein mussten. Dann kam der Hals, der auf verwirrende Weise lang und zugleich kurz wirkte, selbstverständlich in ungekannten Größenordnungen. Unterhalb des Kopfes bis hin zum Magen zierte sein eigentlich kurzes und drahtiges Fell eine regelrechte Mähne, so buschig und füllig wie bei einem ausgewachsenen Grizzlybären. Und dieser Schädel ...
Wenn ein Teil des Wolfes dafür verantwortlich war, dass ihr die Bestie in keiner Abart auch nur minimal bekannt erschien, dann der Kopf. Mandy bemühte sich wirklich und sie strengte ihre Fantasie über die Grenzen hinaus an, aber es war ihr nicht möglich, eine Beschreibung zu finden. Es hatte den Anschein, als würde ihr Blick auf unnatürliche Weise plötzlich verschwimmen oder die Ideen, die ihr Gehirn ausspuckte, mussten von unsichtbarer Hand zurückgeschlagen werden, noch bevor sie danach greifen konnte.
Wieder stieß das Ungetüm ein Knurren aus, bedrohlich und aus dem Maul entwichen gleichzeitig Dämpfe, als würde es innerlich vor Energie kochen. In diesem Moment gewahrte Mandy einen Blick in die Wolfsschnauze. Das Gebiss war mit keinem anderen Raubtier vergleichbar. Wenn es zuschnappte, mussten die Fänge wie Schraubstöcke wirken. Die daumengroßen, scharfen Zähne waren gebleckt.
Mandy betrachtete die
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