Crystall (German Edition)
wenigste erinnern. Alle Eindrücke, alle Gefühle, ihre Todesangst – sie konnte sich nicht entsinnen. Sie wusste, dass da etwas gewesen war und sie dem Tode näher als je zuvor. Aber dann?
Aus!
„Du musst nicht darüber reden.“
Mandy blickte Sator erschrocken an und lächelte dann. „Doch, es ist ja kein Geheimnis. Nur, ich kann mich so schlecht erinnern. Ich weiß, dass ich Nawarhon nachgeritten bin. Er hat gegen seinen Vater gekämpft ... ihn getötet. Ich habe den Kristall genommen und ... Nawarhon war verletzt. Seit dem erinnere ich mich kaum noch, da war Blut und Schnee und eine Schwärze vor den Augen ... ich wollte sterben, ich hatte ernsthaft diesen Wunsch. Das war alles, ich weiß nicht mehr, wie ihr uns gefunden habt, wohin ich gelaufen bin ... oder ob ich überhaupt etwas getan habe.“
Sator legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du hast sogar sehr viel getan, du hast dir und dem Prinzen das Leben gerettet. Ihr wart fast zwanzig Minuten vom Dorf entfernt, als wir euch fanden. In deinem Zustand und mit Nawarhon als – entschuldige den Ausdruck – lebende Leiche ... beeindruckend, ganz ehrlich.“ Damit stand Sator auf und verschwand im Dunkel der Nacht.
„Sensibel eben, dieser Kerl. Ich versteh ihn nicht, der ist mir ein Rätsel ... und du solltest dich jetzt ausruhen. Ich werde dich morgen wecken, wenn es soweit ist.“
Mandy nickte Lyhma zu und sank auf ihr Lager nieder. Sekunden starrte sie in den finsteren, wolkenbedeckten Himmel und versuchte sich zu erinnern, was sie in den Minuten der Angst empfunden hatte. Sie konnte es nicht mehr. Diese Erfahrung war da, aber nicht geistig aufzugreifen. Vielleicht war es auch besser so.
Mandy war noch immer genügend erschlagen, um gleich darauf einzuschlafen, fest wie ein Stein. Neben ihr hätte sich der Boden auftun können und sämtliche Dämonen das Lager überfallen oder der Himmel einstürzen – sie hätte es nicht gemerkt.
Ihre Müdigkeit hatte eher noch an Intensität zugenommen, als sie am Morgen wach gerüttelt wurde. Sie fühlte sich beinahe, wie aus einer Ohnmacht entkommen und dementsprechend erschöpft. Wer auch immer sie gerade weckte, er ging dabei kaum zimperlich vor. Mandy fühlte sich durchgeschüttelt und dreimal schlug ihr dieser Jemand die flache Hand ins Gesicht – zu erwähnen, dass die Aktion nicht unbedingt Zurückhaltung aufwies.
Mandy wusste nicht, wie lange sie sich diese Prozedur gefallen lassen musste, ehe sie stöhnend ihren Kopf hin und her wiegte und seltsame Laute zusammen stammelte. „Schon gut, ich bin wach ... du kannst aufhören, mich zu verprügeln.“
Das Echsengesicht, das über Mandy hing, wies ein spöttisches Grinsen auf. „Wir brechen gleich auf, Langschläferin.“ Seine Gesichtszüge wurden noch breiter, ehe er aufstand und sich seinen Arbeiten widmete.
Mandy legte stützend die Arme unter den Nacken und gähnte genüsslich. „So ein brutaler Mistkerl“, stammelte Mandy müde vor sich hin und öffnete schließlich blinzelnd die Augen, wobei sie sich alle Zeit der Welt genehmigte. Sie starrte zum Himmel hinauf und wartete geduldig, bis die gröbste Mattigkeit verstrich. Dabei stellte sie wenig überrascht fest, dass dieser Tag genauso weiterführen würde, wie es gestern begonnen hatte. Die Sonne kämpfte sich nur lückenhaft durch die Wolkendecke am Himmel und die Atmosphäre wirkte irgendwie grell und zugleich dunkler als bei normalem Sonnenschein. Einmal mehr verriet die weiße, aber wenigstens dünne Wolkendecke reichlich Schnee für diesen Tag.
Schließlich brachte Mandy das Kunststück fertig, sich aufzusetzen und die Augen zu reiben. Sie fühlte sich vollkommen erschlagen und wusste nur zu gut, dass sie wieder eingeschlafen wäre, würde sie am Boden liegen bleiben. Der Tag in dieser Eishölle hatte eben seine Spuren hinterlassen und es sollte sie wundern, wenn sie bereits wieder völlig genesen war. Wahrscheinlich war Lyhmas Vorschlag doch eher klug, das Ziel noch einen Tag hinauszuschieben. Schon gestern Abend musste sie begreifen, dass es mit ihrer Ausdauer noch nicht wieder zum besten stand.
Ihre Augenlider wurden bereits wieder schwer und garantiert wäre sie neuerlich eingeschlafen, hätte da nicht etwas Feuchtes durch ihr Gesicht geleckt. Erschrocken riss Mandy die Augen auf und blickte in das treuherzige Gesicht von Jenny, die sie neugierig zu betrachten schien und den Kopf zu den Seiten wiegte.
Mandy gelang ein Lächeln. „Na komm her, mein Mädchen.“ Sie empfing
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