Crystall (German Edition)
auch das Lager nicht mehr sehr beachtlich, erstreckte sich auf einer Lichtung, die mit einem Mal zu überblicken war und ringsum eingezäumt von mannshohen Felsen. Zumindest der scharfe Wind blieb ihnen in diesem Steinbett erspart.
„Ich traue ihm nicht“, fuhr die tiefe Stimme fort, ohne dabei aber bösartig zu klingen.
Mandy benötigte viel Zeit, um die Person ausfindig zu machen, denn es war mittlerweile tiefschwarze Nacht und nicht einmal klar. Der Himmel überzog sich mit dicken Schneewolken und verschluckte das Licht von Mond und Sternen. Auch hier unten war es nahezu düster, im ganzen Lager brannten nur zwei winzige Feuer, die kaum die Hälfte des Felsbettes erleuchteten und jedes Mal ausgingen, wenn jemand versuchte, auch nur einen weiteren Holzscheit hinzuzuwerfen.
Mandy erkannte den Mann erst, als er sich auf ihrer Rechten nieder ließ und die Knie weit an den Körper zog. Sator blickte verträumt in die Dunkelheit.
„Lass ihn reden“, meinte Lyhma von der anderen Seite her und lächelte flüchtig. „Ich glaube, du hattest Recht, im Reden mag er vielleicht grausam sein, aber im Herzen ist er ein sensibler Mann, wenn nicht, dann zumindest ehrenwert. Du hättest mal sehen sollen, wie besorgt er war, als er euch beide halb tot gefunden hat. Sator war nicht ansprechbar, in den zwei Tagen ist er nicht einmal von eurer Seite gewichen. Selbst Nawarhon hat er gepflegt wie seinen einzigen Sohn. Niemand durfte ihm reinreden. Wer euch auch nur angesehen hat, musste um sein Leben bangen.“
Mandy wollte, konnte sich ein leises Feixen aber nicht verkneifen. Sie warf Sator von der Seite einen amüsierten und zugleich dankbaren Blick zu.
Sator grummelte vor sich hin. „Haha, bildet euch nur nicht zu viel darauf ein, meine Süßen. Ich habe das nicht aus Freundschaft getan, das könnt ihr vergessen.“
„Schon klar“, erwiderte Mandy grinsend.
Der Wüstenherr knurrte verärgert. „Verdammte Frauen, ihr habt überhaupt keine Ahnung. Ich habe ihn nur gepflegt, weil wir in der Aufgabe, die vor uns liegt, jede Hand gebrauchen können. Außerdem erschien mir das taktisch klug. Mandy schuldet mir ein Versprechen und ich dachte mir, sie würde es eher einlösen, wenn ich ihr noch einen kleinen Gefallen tue. Glaubt mir, jedes Haar hat sich dagegen gesträubt.“
Mandy schüttelte lachend den Kopf. „Wie schaffst du es nur immer wieder, dir das einzureden.“
„Was einreden?“
„Vergiss ihn einfach“, winkte Lyhma ab und ließ sich seufzend zurück sinken.
Auch Mandy legte sich mit im Nacken verschränkten Armen auf ihr Lager, das sich wie bei allen auf ein Bett aus Stroh und Fellen bezog. Mehr hatten sie nicht zur Verfügung. Allerdings konnten sie auch froh sein, wenigstens dem Wetter getrotzt zu sein. Der Sturm war lange nicht mehr so heftig, dennoch unangenehm, wenn es um eine Nachtruhe ging. In dieser Lichtung der Felslandschaft war es nahezu lautlos und täuschte eine unglaubliche Ruhe vor. Jenseits der Steinhügel tobte noch immer ein rasender Wind und es schneite ununterbrochen, gerade jetzt in der Nacht.
Einen Moment spielte Mandy mit dem Gedanken, nach Nawarhon zu sehen, verwarf ihn dann aber rasch wieder. Als sie sich in die Felle legte, schien sie erst zu spüren, wie erschöpft sie noch war. Das Gespräch mit den beiden hatte an ihren notdürftig gewonnenen Kräften gezehrt. Sie fühlte bereits wieder diese aufkeimende Müdigkeit, die ihre Sinne umstrich wie eine warme Hand.
Aber vorerst schliefen weder Lyhma, noch Mandy. Sator saß noch immer neben ihnen auf dem nackten, steinigen Boden. Da sein Nachtlager wo anders war, konnte er nur ein Gespräch im Sinne haben.
Mandy holte tief Luft und stemmte sich noch einmal auf die Ellenbogen hoch. Sie fand, dass sie ihm Antworten schuldete, immerhin hatte er sich rührend um sie und den Prinz gekümmert. Vielleicht war es sogar er gewesen, der Nawarhon vor dem Tode bewahrt hatte, immerhin war er der einzige in ihrem Trupp, der genügend medizinische Kenntnisse besaß. Also tat sie ihm den Gefallen. „Sag schon, was bedrückt dich?“
Sator sah sie verwirrt von der Seite an. „Nichts Besonderes. Ich wollte eigentlich nur wissen, was passiert ist.“
Mandy schwieg eine ganze Weile und spürte, wie sie auch von Lyhma neugierig betrachtet wurde. Zum ersten Mal, seit sie wieder bei Bewusstsein war, dachte sie über das Geschehene nach, als hätten erst Sators Worte dazu Ausschlag gegeben. Und wenn sie ehrlich war, konnte sie sich nur an das
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