Crystall (German Edition)
könnten. Sie glaubte ein Heulen zu vernehmen und der einzige Gedanke, der sich formte, war Wolf. Wie automatisch fuhr Mandys Hand an den Schwertgriff, obwohl sie natürlich keine Chance gehabt hätte. Ihre Hände waren so steif, dass sie keine feste Faust zusammenbrachte und selbst wenn das Wunder eingetreten wäre, sie die Waffe ziehen zu lassen, wäre sie im selben Moment zu Boden gefallen.
Das Wolfsheulen blieb aber Einbildung und Mandys letzter Gedanke. Sie hörte Stimmen, unterschiedliche Laute ohne jeden Sinn. Ein Schatten näherte sich.
Mandy hatte keine Ahnung, was gerade geschah. Jemand wollte sie ansprechen, doch sie verstand die Bedeutung nicht. Hilfe war da! Ob Einbildung oder nicht, für sie war der Gedanke die einzige Hoffnung. Sie mühte sich in einem erbitterten Kampf die Lider zu heben. Es gelang ihr sogar, doch vor den Pupillen lag ein Tränenschleier und sie konnte nichts erkennen, ausgenommen hell und dunkel. Mandy blinzelte immer wieder, ohne Ergebnis. Ihr Blick blieb vernebelt und jeder Versuch zu sprechen misslang. Plötzlich fühlte sie sich wie ein stummer Mensch. Ihr Gehirn formte sogar einen Sinn, ihre Lippen bewegten sich, doch brachte sie keinen Ton heraus.
In einer verzweifelten Bewegung stemmte sie sich noch einmal auf, spürte, wie jemand ihre Arme ergriff, bevor ein schwarzer Schleier ihren Kopf einhüllte, sie ein Schwindel befiel.
Schließlich brach sie bewusstlos zusammen.
Endlich!
Abschied von Kaija
„Wie geht es Nawarhon?“
„Den Umständen entsprechend.“ Lyhma bemerkte selbst, dass ihre Worte die beabsichtigte Wirkung verfehlten und entschärfte sie mit einem warmen Lächeln. „Du machst dir richtig Sorgen um ihn, wenn man davon absieht, dass du selbst erst seit ein paar Minuten wieder bei wirklichem Bewusstsein bist. Trotzdem kann ich dich beruhigen, der Prinz ist hart im Nehmen und dem Tod längst von der Schippe gesprungen. Zwei Tage hat er im Fieberwahnsinn gelegen und gekämpft und ... ehrlich gesagt, es sah danach aus, als würde er sterben müssen. Wir konnten einfach nichts tun, außer abwarten und hoffen, dass alles gut wird. Aber diesen Kampf konnte nur sein Körper selbst bestreiten und er hat gewonnen. Es wird noch einige Tage dauern, bis er ganz auf den Beinen ist, aber das Schlimmste ist bestanden.“
Mandy hatte alle Mühe, den Worten folgen zu können, denn sie war selbst noch nicht gänzlich aktiv, sowohl körperlich, als auch geistig. Ihr Zeitgefühl war noch nicht völlig einsatzbereit, aber sie musste schätzungsweise gerade eine halbe Stunde unter den wirklich Lebenden sein und in dieser Spanne waren ihre Gedanken lediglich in wirren Bahnen verlaufen. Dennoch begriff sie, dass Nawarhon überleben würde, wie lange es auch dauern mochte und wie sehr er momentan auch litt. Am Ende würde er abermals siegen und das war alles, was zählte.
Zwei Tage. Der Gedanke glomm urplötzlich in Mandy auf. Lyhma hatte davon gesprochen, dass Nawarhons Todeskampf zwei Tage andauerte. Mandy sprach ihren Gedanken laut aus. „Ist es richtig, dass wir fast drei Tage verloren haben? Was ist mit den Kristallen und...“
Lyhma hob besänftigend die Hand. „Mach dir darüber mal keinen Kopf. Wir hatten ohnehin gute fünf Tage Vorsprung und genügend Zeit, alles mit Bedacht anzugehen. Nawarhons Umstand bringt uns nicht aus dem Geschehen. Wir werden das Kristallgebirge morgen in aller Frühe ansteuern und mit Anbruch des zweiten Morgens erreichen. Das wird genügen, um unsere Mission zu erfüllen und Nawarhon in einen angenehmen Zustand zu bringen.“
„Was heißt angenehm?“
Nawarhons Schwester starrte sie einen Moment irritiert an. „Naja, es ist schwer zu sagen, ich bin auch keine besonders begabte Heilpraktikerin, dafür war bisher immer Ry zuständig gewesen ... aber ... ich denke, an diesem zweiten Tag wird er ruhig schlafen, ohne Fieberträume und qualvolle Schmerzen. Jedenfalls wird er an dem Kampf nicht teilnehmen können, so viel steht fest.“
Das war nur logisch. Mandy war sogar erstaunt, dass der Prinz, nach allem, was er erlitten hatte, bereits nach zwei Tagen außer Lebensgefahr war und noch dazu bei diesen kalten Wetterverhältnissen.
„Und vielleicht ist es auch besser so.“
Mandy zuckte erschrocken zusammen und spähte durch das provisorisch angerichtete Nachtlager. Es war nicht sonderlich groß, denn die meisten hatten sie ohnehin verlassen. Ihre Truppe zählte gerade einmal zwölf Mann, sie und Nawarhon eingeschlossen. Somit war
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