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Crystall (German Edition)

Crystall (German Edition)

Titel: Crystall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Enrico Mahler
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Damals war unklar, aus welchem Grund die Höllenkreatur erschienen war. Hatte man sie geweckt, war es nur ein zufälliges Verirren gewesen oder sollte sie der Zorn der Götter sein, wie plauderhafte Stimmen von Gläubigen und Priestern behaupteten?
    Heute gab es einen Grund für ihr Kommen und das machte sie gefährlicher als jemals zuvor. Der Schwefel im Teufelsschlund brodelte noch heftiger und schien sich plötzlich zu lichten oder gar zu teilen, als würde eine metallene Faust hindurchfahren. Ein Grollen drang aus der Tiefe empor und glitt in Mark und Bein. Die Sterblichen standen wie aufgereiht und angewachsen, die Angst in ihren Augen war zu sehen, zu spüren und sie nährte das Sagenwesen noch weiter. Knurrende Laute erklangen und die Höhle begann zu beben, diesmal aber nicht eines natürlichen Ursprungs wegen. Die Grotte vibrierte in allen ihren Ecken, schien sich förmlich zu drehen. Poltern und lawinenartige Geräusche begleiteten das Beben, erste, winzige Kristallsplitter stürzten herab. In dieses Tosen, das sich wie Wellen auszubreiten schien, mischten sich Schritte, laut und stampfend wie tonnenschwere Bleifüße. Das Monster brüllte und schnaubte, über ihr blies es den Schwefel auseinander und in die Höhe, als wolle er ihr Platz machen.
    Die sterblichen Freunde taumelten von einer Seite auf die andere, kämpften ausnahmslos um ihr Gleichgewicht und versuchten in derselben Zeit, den Schlund im Auge zu behalten. Einige stürzten, andere hielten sich an den Kristallwänden fest. Es dauerte unendlich lange, bis das Beben in ein sanftes Vibrieren zurück wich und ihre Opfer Fassung und Orientierung wiederfanden.
    Die Bestie stampfte nicht mehr auf den Boden oder versuchte sonst wie Lärm zu veranstalten. Stattdessen wurde es regelrecht ruhig. Das Monstrum schwebte und entstieg schließlich dem Krater. Zuerst tauchte der riesenhafte Schädel über dem Rande der Schlucht auf, begleitet von zwei höhnischen Raubtieraugen. Gewaltige Schwingen hatten sich gestreckt und trugen die Bestie langsam, aber stetig höher. Ein pfeifendes Geräusch erscholl dabei, als würde selbst diese sanft anmutende Bewegung dieses Kolosses schon einen heftigen Windzug erzeugen.
    Mandy hatte in diesem Augenblick keinen Schimmer, wie es den anderen erging. Sie kämpfte mit sich selbst, das war Übel genug. Zunächst erkannte sie nur, dass die Bestie immer weiter empor stieg. Es war einfach wie eine Beobachtung aus zu großer Distanz, mehr nicht. Sie konnte weder denken, noch den Feind bewusst betrachten. Sie stand hart gegen Kristallfels gelehnt, versuchte sogar die Finger in das Mineral zu graben. Dabei brach sie sich aber lediglich einige Nägel ab, ohne es zu spüren. Völlig verkrampft stand sie da, starrte das Wesen aus schreckgeweiteten Augen an. Ihr Blick musste es fast durchbohren und ehrlich gesagt kam sie sich auch so vor, als würde sie einen Punkt hinter der Kreatur ansehen. Das Eigentliche blieb ihr irgendwie verborgen, als hätte ein Teil ihres Denkens plötzlich beschlossen, eine Art Deckel vorzuschieben.
    Das Monster stieg immer weiter in die Höhe, schien gar kein Ende zu finden. Sein Schädel befand sich gute zehn Meter weit oben und ragte womöglich noch über den Krater der Höhlendecke hinaus. Nur sein restlicher Körper konnte sich der Form der Grotte nicht anschmiegen und deshalb stieß er hin und wieder gegen das Kristall und ließ es bruchstückenhaft zerbersten.
    Sie wusste nicht, wie viel Zeit verstrichen war, jedenfalls fand Mandy ihre Fassung erst wieder, als die Bestie in ganzer Gestalt und voller Größe vor ihr stand – so gewaltig, dass es an ein Wunder grenzte, sie überhaupt in den Schlund bekommen zu haben. Oder war sie auf dem Weg herauf vielleicht gerade gewachsen? Immerhin war sie aus dem Ei entstanden und nun so ausgewachsen, dass die riesigen Füße in voller Länge über den Schlund passten, ohne wieder hinab zu stürzen.
    Mandy verdrängte diese Gedanken, sie hatte momentan wesentlich andere Probleme. Sie warf den Kopf in den Nacken, um überhaupt den Schädel der Bestie erkennen zu können. Und sie war so unglaublich gigantisch, an die fünfzehn Meter hoch, mit einem dementsprechend titanischen Körper, der es alles andere als schlank werden ließ.
    Mandy holte tief Luft und schluckte und würgte den Speichel, als käme aus ihrer Röhre ein heftiger Brechreiz. Sie spürte, wie ihre Handflächen feucht worden und zitterten, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Aber sie fühlte auch

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