Crystall (German Edition)
und einsam hier drinnen, dass Mandy sich regelrecht unwirklich vorkam. Sie atmete auf und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Wir haben es tatsächlich vollbracht, Freunde ... eure Welt wird nicht untergehen und es wird auch keine heilige Kreatur erscheinen, denn Kaija hat sie zerstört.“
„Das Ei!“, rief Nirrka mit bebender Stimme. „Seht euch nur das Ei an!“
„Das kann nicht sein.“ Sator starrte entsetzt vor den Schlund, wo das Ei in Millionen seiner kristallinen Bestandteile verstreut herum lag.
Lag!!
„Aber ... aber, das kann nicht sein!“ Mandy blieb vor Schrecken die Luft im Hals hängen und ihre Hände begannen zu zittern.
Das Ei war daran, sich neu zu regenerieren. Die Eissplitter flogen allesamt aufeinander zu und blieben haften, als hätte sie jemand wieder zusammengeschweißt. Als erneutes Ganzes kullerte das Ei über den Rand des Schlundes und stürzte in die Tiefe.
„Was wird das nur?“, fragte Lyhma entsetzt, ohne darauf wirklich eine Antwort zu erhoffen.
„Bei allen Göttern ... zurück!“ Sator brüllte aus Leibeskräften, als er sah, wie sich der Schwefel verdichtete und ein tiefes und nie gekannt boshaftes Grollen erklang.
Dann kam die Bestie aus dem Eis.
Bestie aus dem Eis
Es war das abgrundtiefe Grauen. Bisher war sie von der Wirkung der angeblichen Macht meist enttäuscht gewesen. Das Relikt war kaum größer als ein Kleinkind gewesen und hatte vollkommen einsam und schutzlos einfach hier gestanden, als warte es nur auf jemanden, der es benutzt. Auch die Macht jenes Kristallheiligtums hatte sich als überwiegend undramatisch erwiesen. Natürlich war dadurch eine Welt gerettet, dennoch hatte sie irgendwie Großes erwartet, einen mächtigen Zauber oder das Grollen und Einstürzen des Himmels – irgendetwas. Nichts davon war geschehen. Aber nun sollte sich das ändern! Was kam, blieb keineswegs undramatisch und winzig, im Aussehen unbedeutend. Diese Legende machte alles wett, stellte das bisher Geschehene tief in den Schatten und ließ die Sterblichen den Atem gerinnen. Die Kreatur war nicht widerwärtig, übelerregend anzusehen oder einfach nur eine bizarre, glibberige Masse. Nein, eher das Gegenteil verriet die Wahrheit. Auf ihre Art mochte das Wesen sogar beeindruckend und heilig sein, eine Legende eben. Trotzdem stellte sie für alles Leben eine Bedrohung dar und brachte ihre Gemüter zum Beben, denn es war gigantisch und zugleich bedrohlich, eine Kreatur ohne Herz und doch ausnahmslos böse. Wenn sie eine Seele besessen hätte, dann wäre diese rabenschwarz gewesen. Mochte sie auch noch so bezaubernd aussehen, sie war nichts als eine Gestalt gewordene Grausamkeit, ohne Gefühle und Schmerz zu kennen. In der Vergangenheit war jenes Wesen erst ein einziges Mal erschienen und es hatte sich derart in die Herzen der Sterblichen gebrannt – selbst über tausend Jahre hinweg – dass diese auch heute nur von Furcht sprechen können, wenn sie der Bestie neuerlich gegenüber standen. Sehr wenige Wesen dieser Welt hatten das sagenhafte Ungeheuer zu Gesicht bekommen und die Legende hatte sich über die vielen Generationen weiter getragen, so frisch und lebendig, als wäre es erst gestern gewesen. Ausgenommen Kaija gab es keine lebenden Zeitzeugen mehr und auch die war seit dem Duell mit dem Dämon lediglich Geschichte. Trotzdem wussten alle von der Bestie zu berichten, als wären sie es persönlich gewesen, die ihr entgegen getreten waren. Ob gutes oder böses Herz, sie erzählten von einer Kraft und Grausamkeit, die über das Denken hinaus ging und mit der es kein Messen gab. Viele Tapfere hatten sich vor Äonen der Bestie zum Kampf gestellt, aber niemand hatte sie schlagen können. Wahrheitsgemäß musste sogar gesagt werden, dass überhaupt keine Schlacht stattgefunden hatte, sondern lediglich ein Zerstörungsfeldzug. Für die Bestie sollte es ein langweiliger Spazierflug gewesen sein, so unbehelligt war sie über diese Welt geflogen und hatte alles zerstört, was ihr unter die Klauen geriet. Krieger und selbsternannte Zauberer und Helden vermochte sie mit einem einzigen Hieb zu töten, bevor diese auch nur ahnten, was ihnen blühte. Die Überlieferung berichtete von einer grausamen Stunde, die jene Kreatur gewütet hatte. Nach dieser Zeitspanne war alles vorbei gewesen, der Planet zum Aussterben verwüstet. Jahre hatte es in Anspruch genommen, um das Leben neu zu erwecken und an keinem Tag dieser Frist war es sicher gewesen, dass sich die Natur erholen würde.
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