Crystall (German Edition)
denselben Punkt. Sie dachte über Kaijas Geschichte nach, über die Bitte. Doch am Ende wusste sie genauso viel wie vorher – nichts!
Vermutlich hätte sie sich noch Stunden weiter mit diesen Problemen gequält, ohne auf ein Ergebnis zu kommen, wäre der Wald nicht schlagartig verschwunden. Nein, er löste sich nicht in Luft auf, aber er war plötzlich ein gutes Stück hinter Mandy, die jetzt wieder am Rande einer Einöde stand.
Das Mädchen sah nach links, wo sie die Festung erkannte. Sie war noch ein ganzes Stück entfernt, vielleicht einen Kilometer gar. Aber es gab Bergansätze, vereinzelte Wiesenflächen und gut begehbare Wege. Sie würde es schaffen.
Doch bevor sie los marschierte, erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Sie stand hinter einem riesigen Steinschotter, dass sie erst eine Lücke zum Durchsehen benötigte. Aber was sie dadurch sah, gefiel ihr keineswegs. Nur wenige Meter hinter dem Felsberg hatte ein Heer sein Lager aufgeschlagen. Sie erkannte schwarze Zelte, kleine Feuer und jede Menge Pferde. Einige von ihnen stampften unruhig mit den Hufen auf.
Doppelt so viele Gestalten liefen umher. Sie glichen in der Größe einem normalen Mann, waren aber ausnahmslos muskulös und in schwarze Lederklamotten, beziehungsweise Rüstungen gehüllt. Sie liefen auf und ab, hantierten an ihren gewaltigen Waffen.
Mandy blinzelte mit Unglauben und leicht wachsender Furcht auf die grauenerregenden Gestalten. Sie hätte selbst von hinten und mit dem Überraschungseffekt nicht gegen einen eine Chance gehabt.
„Macht euch bereit“, drang eine gedämpfte Stimme zu ihr. Von allen war sie die einzige, die sie hörte. „Morgen früh greifen wir an und...“
Das Mädchen verstand die restlichen Worte nicht mehr, weil der Krieger davon lief. Aber mehr brauchte sie nicht zu hören. Was hier im Gange war, stand ohne Zweifel. Deshalb verschwendete sie keine einzige Sekunde mehr. Im Schutz der Felsen machte sie sich in Schweiß gebadet aus dem Staub.
Angriff der schwarzen Armee
Nach gut einer halben Stunde war Mandy endlich wieder im Schutz der Festung. Ihr Puls jagte nur so auf und ab, das Gesicht war schweißnass. Deshalb blieb sie Minuten vor dem Tor hocken und verschnaufte. Der Weg war nicht unbedingt als weit zu bezeichnen gewesen, aber alles andere als bequem. Im Abstand von zehn Metern musste sie hinter Felsschottern in Deckung gehen, manchmal ein gutes Stück rennen und ständig mit dem Risiko leben, eine übergroße Gefahr im Nacken zu haben. Die wenigen Schutzmöglichkeiten boten nicht unbedingt eine sichere Deckung. Sie hätte jederzeit entdeckt werden können, denn sie lief auf nahezu offenem Gelände. Aber sie war heil davon gekommen, nicht einer der Krieger hatte sich auch nur einmal nach ihr umgeblickt, eigentlich fast seltsam. Ausschließlich die Pferde hatten sie gewittert.
Mandy lehnte den Kopf an die Mauer und blinzelte schräg zum Firmament hinauf, um sich die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen. Nach dieser Flucht war ihr doppelt so warm und es bedarf einer Menge Zeit, bis ihr Zittern aufhörte. Jetzt, da sie in Sicherheit war, glich das eben Geschehene einer winzigen Lappalie. Um die wirkliche Furcht zu spüren, musste man es live erleben. Sie hatte tausend Ängste ausgestanden, glaubte den Atem der Feinde im Nacken zu spüren. Jeder Blick zurück hätte ein Todesstoß sein können.
Das Mädchen schleppte sich umständlich auf die Beine, sie hatte keine Zeit zu verlieren. Mutig sammelte sie noch einmal die restlichen Reserven und ging auf das Tor zu, dessen Brücke noch immer herunter gezogen war. So gelangte sie rasch wieder in den Burghof.
Und wurde bereits erwartet. Der Platz war nahezu ausgefüllt. Trolle liefen in Massen umher, einige der Echsenmänner, die sie nun misstrauischer anblickte und schließlich auch Nawarhon. Als er sie sah, kämpfte er sich grob eine Bahn durch die Menge. Achtlos seiner Gewalt stieß er die meisten beiseite und war mit wenigen, großen Schritten bei ihr. „Wo warst du denn, wir haben uns große Sorgen gemacht?“
„Meinst du, ich nicht“, erwiderte Mandy lächelnd, wurde dann aber übergangslos wieder ernst. „Wir haben Probleme, ich muss zum König.“
Der junge Prinz wurde schlagartig misstrauischer. „Was für Probleme?“
Sie schüttelte den Kopf und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Später.“
„Was?“ Der Junge schien schier zu explodieren. „Du siehst aus, als wärst du durch die Hölle gegangen und wüsstest, dass
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