Crystall (German Edition)

lernen. Für vieles im Leben gibt es ein erstes Mal.“
    Das Mädchen schluckte, spürte selbst, dass sie die Klinge – die obendrein beinahe so lang war, wie sie groß – mit verzweifelter Anstrengung gepackt hatte, als wolle sie den Griff mit bloßen Händen zerquetschen. Sie bemerkte einen leichten Schauder, während sie zögerlich an dem Kristallpodest vorbei trat und auf das Zentrum des Raumes zu ging. Sie bemühte sich verkrampft, ihre Sinne zu entfalten.
    Dann geschah etwas, was Mandy erschrocken einen Satz zurück springen ließ. Unmittelbar vor ihr entstand so eine Art Spiegel inmitten des heiligen Saals, und so wie Mandy rückwärts von ihm wegstolperte, tat es eine andere Person in die entgegengesetzte Richtung.
    Der Spiegel verschwand.
    Überrascht stemmte das Mädchen die Beine in den Boden, packte die Waffe fest mit beiden Händen und starrte mit wachsender Nervosität auf ihren Gegenüber, der sich endlich zu ihr herum drehte, ebenfalls eine Klinge bei sich tragend, mit dem Gesicht einer ...
    Mandy stieß ein abgehacktes Stöhnen aus, als sie das Gesicht der anderen sah. Es glich dem ihren wie ein Ei dem anderen. Sie stand einer Doppelgängerin gegenüber.
    Obwohl Maxots Worte nichts anderes hatten bedeuten können, war sie nun doch überrascht.
    „Besiege dein böses Ich.“
    Sie vernahm den Troll nur an der Grenze der Wahrnehmung, voller Konzentration blickte sie auf Mandy . Die machte keine Anstalten des Angriffes.
    Irgendwann, als es ihr allmählich idiotisch vorkam, nur zu glotzen, lief sie auf ihre Rivalin zu und die schien den gleichen Gedanken in der gleichen Sekunde zu haben. Sie ging ihrerseits dem Mädchen entgegen.
    Mandy blieb vor der ... ja, was eigentlich? ... Doppelgängerin stehen und bemühte sich, ihr Schwert sicher zu umklammern. Natürlich wusste sie, dass sie damit einen erbärmlichen Fehler machte. Ein nur halbwegs guter Kämpfer hätte sie ohne weiteres über den Haufen rennen können. Mandy tat nichts dergleichen.
    In der nächsten Minute kam sich das Mädchen wahrlich wie ein blutiger Anfänger vor. In einer nahezu lächerlich langsamen Bewegung holte sie mit dem Schwert aus, schaffte es irgendwie, nicht das Übergewicht zu bekommen, und hieb zu.
    Es war seltsam, aber ihre Gegnerin tat genau das selbe. Die Klingen prasselten funkensprühend zusammen, sodass Mandy entgültig ihren Halt verlor und auf den Rücken prallte.
    Die andere Mandy stand zur Salzsäule erstarrt da, als wäre nie etwas gewesen.
    Für einen winzigen Moment überkam sie kochende Wut, die sie schwungvoll auf die Beine katapultierte und in den Angriff übergehen ließ. Aber diesmal hatte sie weniger Glück, denn ihre Rivalin schlug mit dem Schwert zu, noch bevor Mandy überhaupt wusste, wie ihr geschah. Ihr Ebenbild erwies sich zudem als äußerst stark, denn ohne sichtliche Anstrengung wurde Mandys Klinge aus der Hand geprellt, sie selbst stürzte abermals zu Boden. Ihr Zorn verstrich und Mandy blieb wieder regungslos stehen.
    „Du kannst diesen Kampf steuern, Mandy“, behauptete Maxot schließlich, der das Duell besorgt verfolgte. „Trittst du deinem Gegner mit Zorn entgegen, schürst du dessen Kraft. Du kämpfst gegen das Böse, vergiss das nicht.“
    In diesem Moment kam die Erleuchtung. Es war, als fiele eine unsichtbare Hülle von ihrem Geist. Plötzlich wusste sie, wie dieses Spiel – Spiel? – funktionierte. Mandy kämpfte immer nur so gut, wie Mandy es wollte. Sie musste lediglich die finsteren Gedanken nieder ringen.
    Und mit dieser Erkenntnis drang eine fremde Stimme in ihren Geist: Du musst lernen, Mandy. Lektion Nummer eins, deine Waffe muss immer in Bereitschaft sein, also vor deinem Körper mit beiden Händen. Auf diese Weise kannst du dein Schwert in alle Richtungen bewegen und leichter Schläge parieren. Vergiss nicht, halte deine Klinge sicher, aber dennoch locker. Lass die Schwertspitze in leichtem Winkel nach oben gegen deinen Gegner zeigen und sorge dafür, dass du nach allen Richtungen Bewegungsfreiraum hast. Zweitens, der Schwertkampf ist eine Situation im Leben, in der du nicht auf deinen Instinkt hören darfst, der bei einem Anfänger immer den Rückzug rät. Wenn du im Schwertduell in die Defensive gehst, hast du bereits verloren. Hör zu, du musst stets deinem Gegner entgegen treten, ob im Schlag oder der Abwehr, führe deine Waffe dicht am Körper. Je näher du deinem Gegner stehst, desto weniger Kraft kann dieser in seinen Schlag setzen. Vergiss niemals zwei Dinge, die du