Crystall (German Edition)
keinesfalls unternehmen darfst. Niemals mit ausgestreckten Armen kämpfen oder mit der Klinge stechen, es sei denn, dein Gegner ist entwaffnet. Ein Stich hat keine Kraft und lässt sich leicht abwehren. Drittens, Mandy, schwere Hiebe solltest du immer parallel zum Körper abwehren, am besten in der Mitte des Stahls. Beim Angriff führe schnelle Schläge, sonst könntest du entwaffnet werden. Führe die Klinge nicht zu weit über dem Kopf, dass macht dich verletzlich. Denk daran, Mandy, bleib im Vorwärtsgang und warte auf einen Fehler. Geh in den Angriff hinein oder blockiere ihn seitlich, versuch ihn zu entwaffnen. Merk dir die Worte und vergiss nie, ein Schwertkämpfer, der zurück weicht, hat schon verloren.
Die Stimme verklang. Mandy lauschte noch einmal gebannt in sich hinein und versuchte, die Worte bewusst aufzunehmen. Sie versuchte erst gar nicht zu erkunden, woher die Stimme kam. Hoffentlich war sie nicht vergebens gewesen.
Das nächste Aufeinandertreffen entschied Mandy für sich, auch wenn sie hinterher nicht mehr wusste, wie sie es angestellt hatte. Mutig war sie ihrer Doppelgängerin entgegen getreten und irgendwann hatte sie die immer gleichen Bewegungen zum Vorteil nutzen können. Mal gewann das Böse die Oberhand, mal das Gute – in beiden Fällen gab Mandy nicht auf. Sie parierte geschickt, wartete einen winzigen Gleichgewichtsfehler von Mandy ab und schlug mit raschen Hieben zu, immer darauf bedacht, nicht zu fliehen. Und irgendwann gewann das Mädchen, drängte ihr Ebenbild zurück und entwaffnete sie mit zwei geschickten Schwerthieben.
Mandy löste sich in Luft auf.
Atemringend ließ sich das Mädchen auf die Knie fallen und lächelte verkrampft. „Na ... was sagst ... du, Maxot?“
„Wirklich nicht schlecht“, lobte der Troll. „Ich jedenfalls würde mich nicht mit dir anlegen wollen.“
„Na, dann...“
Der dritte Kristall entwich plötzlich aus Mandys Tasche und blieb schwebend in der Luft hängen, begann zu glühen und sich zu verwandeln. Ein gleißendes Licht durchflutete den Raum, sodass sich Mandy hastig die Hände vor die Augen legte.
Und als das grelle Licht erlosch, hatte sich der Kristall verändert. Von einer blinden, harmlosen Glaskugel war nichts mehr übrig, nun glich der Kristall einer weißen Wunderwaffe, die Ähnlichkeit mit einem Wurfstern übte, der aber nur vier Zacken besaß, die noch dazu gebogen waren. Was würde die Waffe können?
In dem Saal entstand eine Tür, die vorher nicht da gewesen war.
„Wollen wir“, machte Maxot mit einladender Geste.
„Ein zweiter Anfang ... natürlich.“ Sie lächelte zufrieden.
Sators Kuss
Irgendwie beschlich Mandy ein ungutes Gefühl, als sie bereits die erste Stunde straffen Marsches hinter sich hatten. Selbstverständlich erwartete sie in einer Welt wie dieser keine Normalitäten, aber so allmählich kamen ihr Zweifel, ob sie tatsächlich auf dem richtigen Weg waren. Mit vor der Brust verschränkten Armen blieb sie stehen, blies hörbar die Luft aus – oder sollte es ein Seufzen sein? – und sah sich demonstrativ um.
„Also, ehrlich gesagt, ich weiß nicht so recht...“
„Was weißt du nicht?“, fragte Mandy, als ihr Gefährte nicht weiter sprach. „Ob wir auf dem richtigen Weg sind? Ich dachte, du bist das Genie hier.“
„Ich habe nicht so etwas erwartet“, kommentierte Maxot beinahe hilflos. Eine tiefe Falte legte sich zwischen seine Augenbrauen. „Hm, wenn mich nicht alles täuscht, sind wir im Land der toten Seen.“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Nein, das funktioniert nicht, wir haben uns verlaufen. Verdammt, Nawarhon wird warten, der Ausgang des Tempels hat uns ja an das Ende der Welt verschleppt.“
„Moment mal“, stammelte Mandy erschrocken. „Seid es nicht ihr, die mir immer gepredigt haben, die Dinge in diesem Land nicht so zu nehmen, wie sie erscheinen? Das alles wird schon seine Gründe haben.“
Der Troll wirkte keinesfalls überzeugt. „Ich habe auch mit allem gerechnet, aber das hier ist lächerlich, etwas ist schief gelaufen. Meinst du wirklich, hier würde der Prinz warten und eine Karawane aufbauen?“ Er spie die Worte aus wie bittere Galle.
„Nun ja.“ Mandy konnte dem im Grunde nur beipflichten. Seit sie den Tempel verlassen hatten, machte sich so ein merkwürdiges Gefühl in ihr breit, denn sie waren überall, nur nicht in einem bevölkerten oder gar paradiesischen Land. Der Ausdruck Land der toten Seen erschien ihr zwar etwas albern, aber längst nicht so abwegig,
Weitere Kostenlose Bücher