Crystall (German Edition)
sein musste. In ihrem Mund machte sich ein leicht taubes Gefühl breit, ihre Lider wurden schwerer und schwerer. Nur mit äußerster Strebsamkeit schaffte das Mädchen, sich wach zu halten. Sie wusste aber selbst nicht, warum sie das tat. Sie hätte alles für einen weiteren Tag Schlaf gegeben. Doch irgendwie fühlte sie, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt war.
Insofern es die Fesseln zuließen, streckte sie ihren Körper und zwang sich, die Augen offen zu halten. Schließlich sah sie sich forschend um. Wie nicht anders zu erwarten gewesen, war sie nun Gefangene in einem der vielen Zelte, in die allerhöchstens drei Mann zugleich hinein gepasst hätten. Der Stoff nahm das gröbste Sonnenlicht und überraschenderweise auch die schlimmste Hitze, wie ein übergroßer Filter. Übrig blieb nur ein Schimmern und das Licht, das spärlich durch Ritzen drang. Nur daher nahm sie die Erkenntnis, dass die Sonne schon wieder im Zenit stehen musste.
Als müsse sie sich extra überzeugen, warf sie einen Blick in die Runde, nur um dann wenig überrascht festzustellen, dass sie alleine war.
War das gut oder schlecht?
Naja, jedenfalls hätte sie viel für einen Gesprächspartner getan. Der Gedanke allein, sie könne wieder einschlafen, wenn sie jemand heimsuchte, erschien ihr peinlich.
Als sie sich entgültig davon überzeugt hatte, dass niemand da war und auch kein Mensch vorbei kam, ließ sie sich müde gegen den Zeltpfeiler lehnen und versuchte irgendwie, sich etwas zu entspannen. Natürlich gelang es ihr nicht. Wie auch? Maxot war irgendwo und sie wusste nicht, wie es ihm ging, außerdem war sie eine Gefangene und verlor kostbare Zeit auf der Suche nach den Kristallen.
Kristall?
Mandy saß kerzengerade auf. Die Müdigkeit war von einer zur anderen Sekunde verdrängt. Zwar konnte sie ihre Hände nicht benutzen, doch wenn sie sich stark konzentrierte, konnte sie ihr kostbares Mineral bei sich spüren. Es war noch immer leicht aktiviert.
Und es war bei ihr!
Mit der frohen Erkenntnis kam sogleich das Misstrauen. Hatte man sie denn nicht durchsucht? Das wäre für ein solches Volk doch recht ungewöhnlich. Sie hätten den Kristall finden müssen und ihr abnehmen.
Etwas war nicht so, wie es sein sollte ...
Mandys Gedanken brachen abrupt ab, als fremde Geräusche darin auftauchten. Gebannt lauschte sie nach außen. Es waren leichte Schritte im Sand und sie kamen näher. Sie konnte dunkle Schatten durch die winzige Lücke am Boden des Zeltes erkennen.
Und kurz darauf wurde eine Zeltplane aufgeschlagen. Augenblicklich spie grelles Sonnenlicht in Mandys Gesicht, dessen Augen sich an Dunkelheit gewöhnt hatten. Sie versuchte angestrengt, wegzusehen, bis der Eingang wieder geschlossen wurde.
Nun stand eine Frau vor ihr, sehr schlank, in fast durchsichtige Kleider gehüllt, mit einem Schleier vor dem Gesicht, der ihr Antlitz trotzdem fast gut erkennen ließ. Die Fremde ließ sich vor dem Mädchen in die Hocke sinken und hielt ihr eine Schale mit Wasser an den Mund. Mandy spürte einen tiefen Impuls, sich dem Angebot zu widersetzen, beschloss dann aber, dass es albern wäre und nur zu ihrem eigenen Schaden.
So ließ sie sich von der Frau das Wasser einflößen. Sie trank es gegen jede Moral und Natur mit hastigen Zügen und stellte überrascht fest, dass es nicht wie üblich schal und trüb war, sondern erfrischend und klar.
Ich brauche mehr.
Die fremde Frau schien ihre Gedanken zu erraten, denn sie schüttelte plötzlich mit dem Kopf. Sie machte Anstalten, sich zu erheben und zu gehen.
Mandy hielt sie mit einem bittenden Blick zurück. „Du gehst schon? Ich würde nur ungern dumm sterben. Kannst du mir nicht sagen, wo ich bin, was ihr vorhabt? Was ist mit meinem Freund, dem Troll?“
Das Gesicht der Frau blieb unbewegt. Wortlos verließ sie das Zelt.
Und zeitgleich trat ein neuer Besucher ein. Sein Anblick gehörte Mandy auf der Stelle. Diesmal handelte es sich um einen Mann, der nicht so üppig wie der Rest gekleidet war. Er trug feste Kleidung, die nicht drei Nummern zu groß erschien, außerdem keinen Turban und halb verdecktes Gesicht. Sie wusste nicht warum, aber sie stempelte ihn instinktiv zum Anführer.
Der hohe Herr kam sie besuchen?
Ihr Gegenüber lächelte, als hätte er ihre Gedanken erraten. Mandy verwirrte das, überhaupt machte dieser Typ so gar nicht den Eindruck eines bösen Mannes, wie die anderen. Er hatte kein eingefrorenes Gesicht, sondern im Gegenteil freundliche Züge. Trotz seiner geduckten
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