Crystall (German Edition)
froh darüber, sie konnte den goldroten Schimmer der Sandwüste einfach nicht mehr sehen. Die Sonne prasselte unablässig auf sie nieder und die Luft vor ihren Augen begann bereits zu verschwimmen. Zudem wurde der Durst langsam quälend. Wie auf ein Schlagwort hin wurde ihr bewusst, dass sie seit dem Besuch im Tempel eigentlich gar nichts mehr getrunken hatte. Und der stundenlange Marsch durch die Wüste forderte entgültig seinen Tribut. Sie wusste, ob Freund oder Feind vor ihr war, sie brauchte Flüssigkeit, sonst würde alles umsonst gewesen sein. Allmählich glaubte sie, doch einen Fehler begangen zu haben, den sie nun bereuen würde. Die Wüste war kein Nickerchen auf einer bequemen Couch, ganz im Gegenteil.
Mandy schüttelte verbissen den Gedanken ab. Für eine Umkehr war es bereits zu spät, sie hatte sich für den Kampf entschieden. Selbst ein halbwegs menschlicher Feind würde ihr Wasser geben, zumindest hoffte sie das. Wenn sie an ihren brennenden Rachen dachte, die schwere Zunge, die...
Mandy knurrte ärgerlich. Sie war gerade dabei, sich um Kopf und Kragen zu reden.
„Hast du schon einen Plan?“, erkundigte sich der Troll mit leisem Spott.
Mandy starrte aus ungläubig aufgerissenen Augen, als höre sie diese Worte das erste Mal. „Nun ja, ich würde sagen, wir gehen direkt vor. Wir durchsuchen die Zelte nach dem Kristall. Aber keine Sorge, wir machen es nicht wie das Sturmkommando, sondern vorsichtig und bedacht.“
„Das meinst du nicht ernst?“
„Hast du eine bessere Idee?“, fragte Mandy brummend. Sie legte eine Hand über die Augen, um das Licht der Sonne abzuschirmen. Dann wanderte ihr Blick über das Lager. Sie konnte nur einen Bruchteil überhaupt erkennen, aber der wirkte ruhig, beinahe verlassen. Vielleicht konnten sie es unbemerkt bis zur ersten Zeltreihe schaffen.
Maxot schnaubte ärgerlich. „Hab ich dir eigentlich schon einmal erzählt, was ich von deinem Taktiksinn halte?“
„Nicht, dass ich wüsste.“
Der Troll verdrehte in ironischem Zorn die Augen. „Oh Mandy, mit dir haben wir vielleicht einen Fang gemacht. Da sagt die Legende, dass nur du uns retten kannst. Und was kommt daher gelaufen? Eine durchgeknallte Braut, die ein Heereslager – noch dazu in der Wüste und fast erschöpft – alleine und planlos stürmt.“
„ Das siehst du in mir?“
„Na ja, so ähnlich.“
„Gut“, erwiderte das Mädchen lächelnd. „Das heißt also, du bist damit einverstanden.“
Maxot seufzte verzweifelt.
„Ich verspreche, wir gehen die Sache behutsam an“, behauptete Mandy, in Maxots Ohren mussten die Worte wie plumper Hohn vorkommen.
Und damit zerfiel ihre Scheu. Die guten zweihundert Meter hügellosen Sandes legten sie nahezu in Rekordzeit zurück, obendrein in leicht geduckter Haltung. Vielleicht hatten sie sogar einen Vorteil, denn vom Lager aus mussten sie im Glanz der Sonne fast unsichtbar sein.
Schließlich erreichten sie unbehelligt die vorderste Front der Zelte. Die Behausungen waren nicht viel größer als sie selbst, bestehend aus robustem und dickem Stoff, der kein Sandkörnchen hindurch lassen würde. Gewaltige Heringe waren in den Boden gestanzt, um die Zelte zu befestigen. Es hätte schon eines gewaltigen Orkans bedurft, um diese umzureißen.
Momentan klebten die beiden Eindringlinge gehockt und verdeckt hinter einem Zelt. Um sie hier zu entdecken, hätte schon jemand das Lager verlassen müssen. Dennoch begann sich ein ungemütliches Gefühl in Mandy breit zu machen. Sie spürte, wie ihr Herz heftiger schlug und ihre Finger zu zittern begannen. Kein Wunder, denn sie hatte noch keinen Schimmer, was für Fieslinge hier auf sie warten mochten.
Seltsam, dachte sie, dass gerade jetzt dieses Gefühl aufkam, obwohl sie im Schutz eines Zeltes kauerte. Vorhin, auf der offenen Ebene und sichtbar für einen Blinden, war sie noch viel gefährdeter gewesen. Sie erinnerte sich nicht, dort Herzrasen gehabt zu haben. „Weißt du was, Maxot, ich glaube, das war doch nicht so eine gute Idee.“
Wie vom Donner getroffen starrte er das Mädchen an. „Du machst mir vielleicht Spaß. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Selbstzweifel zu hegen.“
„Stimmt.“ Damit lief sie los, oder besser gesagt, sie schlich wie ein professioneller Einbrecher. Ohne, dass sie selbst die Ursache kannte, huschte sie nahezu lautlos über den Sand und tief gebeugt in den Schutz eines neuen Zeltes, ein gutes Stück innerhalb des Lagers. Diesmal bestand die Gefahr, von allen Seiten
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