Crystall (German Edition)
Stille herrschte, der Sand wirkte in dem Dämmerlicht grau und öde. Die wenigen, herumstreunenden Wachen fielen kaum auf.
Etwas anderes machte ihr viel mehr Kopfzerbrechen. Die Zelte standen so eng beieinander, dass sie befürchtete, man könne jedes Vorbeikrauchen in ihnen hören.
Mandy atmete tief durch und konzentrierte sich. Sie spürte wieder, wie ihr Kristall zu glühen begann, momentan nur sehr schwach. Es war wie das erste Mal, er schien in Mandys Glieder zu fahren und sie zu bewegen. Zielsicher krabbelte Mandy los, allerdings darauf bedacht, im Schutze der Schatten zu bleiben. Doch mit der Zeit wurde es schwerer, die Geduld zu wahren. Mit jedem Schritt, der sie näher an Sators Kristall heran brachte, wurde auch der Trieb ihres eigenen Wunderminerals stärker und verlockender. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht auf der Stelle aufzuspringen und loszurennen.
Hin und wieder warf sie einen Blick zurück, um sich von Maxots Gegenwart zu überzeugen. Der Troll verursachte keinen einzigen Laut und war sogar direkt hinter ihr nur schwer erkennbar. An ihm würde die Flucht nicht scheitern, weiß Gott nicht.
Mandy lauschte in die Umgebung und huschte zu einem Zelt über größere Distanz. Sie hechtete beinahe in den Schutz der Behausung und atmete im Stillen durch. Dann warf sie einen Blick zurück und stellte erschrocken fest, wie groß der Weg gewesen war. Sie hatten mehr Glück als sprichwörtlichen Verstand, denn Sekunden später überquerte eine Wache den Platz, der vermutlich die Feuerstelle war.
Maxot kauerte neben ihr. Auch er sah vollkommen überrumpelt aus. Er warf dem Mädchen einen Blick aus großen Augen zu.
Mandy wollte gerade weiter, als sie aus dem Inneren des Zeltes ein helles Stöhnen vernahm. Die Stimme gehörte doch Nirrka? „Das Mädchen ist da drinnen. Sie ist immer noch eine Gefangene.“
„Eine Sklavin“, verbesserte Maxot mit plötzlich aufkeimender Wut. „Sator wäre ein Narr, so junges Blut frei rumlaufen zu lassen.“
„Wir müssen sie mitnehmen.“
Der Troll hatte schon damit gerechnet, dennoch zuckte er erschocken zusammen. Sein Gesicht verdüsterte sich. „Bist du vollkommen durchgeknallt? Die Kleine hat uns an diese Bande verraten, du willst ihr doch nicht ernstlich auch noch den Fuß küssen?“
„Es war nicht ihre Schuld“, verteidigte Mandy das fremde Mädchen. „Als Sklavin wird sie dazu gezwungen.“
„Woher willst du überhaupt wissen, dass sie eine Sklavin ist?“
„Du hast es gesagt.“
Maxot knurrte verärgert. „Verdammt, sie hat uns reingelegt. Wahrscheinlich ist sie die Tochter des Wüstenkönigs persönlich. Lass uns endlich den Kristall suchen und sehen, dass wir wegkommen.“
„Nicht ohne Nirrka“, protestierte Mandy stur.
„Vergiss die Kleine, sie hätte uns auch nicht geholfen.“
„Fein. Dann hau du ab, ich hole Nirrka und den Kristall. Vielleicht treffen wir uns ja an einer Oase wieder.“
„Du meinst es ernst?“, fragte Maxot überflüssig. Er verzog das Gesicht. „Schön, du gibst ja sonst sowieso keine Ruhe. Aber beeil dich, es würde mich wundern, wenn die Wache nicht hin und wieder nach dir schaut.“
Mandy nickte dankbar und lugte durch einen Schlitz in das Zelt. Nirrka war allein und nicht einmal angebunden. Ein schlechtes Zeichen. Sie musste sich beeilen, denn eine freie Sklavin würde unter Garantie häufig Besuch von einer Wache bekommen.
Nicht so gut.
Mandy krabbelte in das Zelt hinein und wurde sofort von dem Mädchen aus überraschten Augen angestarrt.
„Was tust du hier?“, fragte Nirrka in ihrem gewohnten Akzent, der Mandy irgendwie an die russische Sprache erinnerte.
„Ich habe nur Langeweile“, schnappte sie, doch Mandys Zorn verging so rasch, wie er gekommen war. „Ich will dich hier rausholen, was denkst du denn.“
„Du hast es doch gehört, ich will es nicht.“
„Ich habe es aber noch nicht von dir gehört“, konterte Mandy mit wachsender Nervosität.
Plötzlich senkte Nirrka den Kopf und sah traurig zu Boden. „Ich habe Sator Gehorsam versprochen, dafür verschont er meine Familie. Ich kann nicht gehen, er würde mir das niemals verzeihen.“
„Du willst doch nicht den Rest deines Lebens hier verbringen, oder?“
Nirrka begann leise zu schluchzen. „Einer der Männer, Sators engster Vertrauter, er ... er kommt jede Nacht in mein Zelt und ... er will Sex von mir.“
Mandy sog erschrocken die Luft ein und riss die Augen auf. „Du meinst, er vergewaltig t dich?“ Sie spürte, wie
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