CSI: Miami - Der Preis der Freiheit
besorgt.
»Ruth, hi«, grüßte Horatio. »Wie geht es Ihnen?«
»Lieutenant Caine …«
»Nennen Sie mich Horatio.«
»Horatio. Ich … ich bin ganz verwirrt.« Sie hielt inne und schaute auf ihre Hände.
»Weshalb?«
»Wegen Dr. Sinhurma. Ich weiß, er ist ein guter Mensch, aber …«
Die Sache war heikel, das wusste Horatio. Ruth wollte offensichtlich reden, aber sie wollte nicht den Mann verraten, den sie als ihren Retter ansah. Wenn Horatio etwas Falsches sagte, würde er sie ängstigen und verärgern.
»Das ist schwer für Sie, ich weiß«, begann er. »Und ich kann Sie sehr gut verstehen. Dr. Sinhurma hat eindeutig die besten Absichten, und ich habe gesehen, dass er sehr viel Gutes getan hat. Ich will ihm ja nicht an den Kragen – ich will nur die Wahrheit erfahren. Dr. Sinhurma glaubt doch an die Wahrheit, nicht wahr?«
»Ja, ja, natürlich. Es ist nur … er hat ein viel umfassenderes Verständnis von der Wahrheit als ich. Ich meine, wer bin ich, dass ich über ihn urteilen könnte.«
»Ruth, es gibt nur eine Wahrheit, und die ist für jedermann gleich, aber nur, wenn er sie auch sehen will.«
Ruth blickte ihn an. »Das ist wohl Ihr Job, nicht wahr? Die Wahrheit suchen.«
»So kann man das sagen.«
»Ist es immer so einfach? Schwarz oder weiß? Unschuldig oder schuldig?«
»Nein, nicht immer.« Horatio schaute über das Meer. »Meine Aufgabe ist es, den Sachverhalt zu klären. Was ist geschehen, wie ist es geschehen, wo und wann ist es geschehen, und wem ist es geschehen.«
»Und wie ist es mit dem Warum?«
Horatio lächelte. »Das ist schon komplizierter. Die ersten fünf Punkte sind Wissenschaft, aber das Warum liegt oft in der Natur des Menschen begründet. Aber auch in ihr kann man die Wahrheit finden. Wissen Sie zum Beispiel, warum das Meer in Miami Beach diese besondere Farbe hat?«
»Nein, warum?« Ruth schirmte die Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und betrachtete das Spiel der Wellen.
»Weil es hier weniger Plankton gibt. Im kälteren Wasser verstärkten Kohlendioxid und Sauerstoff das Wachstum von Phytoplankton und Zooplankton. Je mehr Plankton im Wasser ist, desto trüber sieht es aus. Das Meerwasser von Florida ist warm, also gibt es weniger Plankton … und deshalb kristallklares blaues Wasser. Das ist die wissenschaftliche Seite.«
Er machte eine Pause, bevor er fortfuhr: »›Das sind die Zeiten verträumten Friedens, da man, in die ruhige Schöne der schimmernden Meereshaut versunken, gern das pochende Tigerherz darunter vergisst, und die grausame Pranke, die sich in der Sammetpfote verbirgt.‹«
»Shakespeare?«
»Herman Melville, Moby Dick. Das Meer mit wissenschaftlichen Fachbegriffen zu beschreiben, so wie ich es tue, ist nur eine Seite der Wahrheit. Melville sah eine ganz andere, und trotzdem ist es dieselbe Wahrheit.«
»Ja, das ähnelt Dr. Sinhurma. Er sieht Fassetten der Wahrheit, die ich einfach nicht erkennen kann.«
»Verstehe. Und die Dinge, die er begreift und die Sie nicht begreifen, machen Ihnen allmählich Sorgen?«
Zuerst gab Ruth keine Antwort, und Horatio dachte schon, er wäre zu weit gegangen. Aber dann sagte sie zögernd: »Ein wenig schon.«
Er wartete ab.
»Es ist nur so … Sie erinnern sich doch noch an die Sache, die ich erwähnte? Die Dr. Sinhurma von mir verlangte?«
»Ich erinnere mich.«
»Ich habe viel darüber nachgedacht. Zuerst dachte ich, es sei keine große Sache, aber je länger ich darüber grübelte, desto mehr kam ich zu der Meinung, dass es falsch war. Und dass ich mit jemandem darüber reden sollte, aber nicht mit den Leuten in der Klinik oder mit Dr. Sinhurma, und …«
Sie schlug die Hände vor den Mund und begann, bitterlich zu weinen. Horatio hätte sie gern getröstet, aber er befand sich mitten in einer kritischen Situation, und es war an der Zeit, offen zu reden. Er beugte sich vor und gab ihr damit Hoffnung auf Trost, ohne ihn ihr tatsächlich zu geben. »Ruth, um was hat er sie gebeten?«
Sie sah ihn mit verweinten roten Augen an und antwortete: »Er bat mich, nett zu jemandem zu sein.«
»Aber nicht in sexueller Hinsicht?«, hakte Horatio in Erinnerung an ihr erstes Gespräch nach.
»Nein, nicht wirklich. Dr. Sinhurma lud mich eines Abends zu einem langen Gespräch in sein Arbeitszimmer ein. Wir redeten über die Vitality Method und darüber, wie wichtig es ist, das Leben anderer Menschen zu ändern, weil diese Menschen dann wieder andere beeinflussen können und so weiter, bis man schließlich die
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