Cthulhu-Geistergeschichten
Magie des alten Whateley; über die Regale voll der seltsamen Bücher, das verriegelte Obergeschoß des Farmgebäudes und das Unheimliche der ganzen Gegend und der Geräusche in den Bergen. Wilbur war nun viereinhalb Jahre alt, sah aber aus wie ein Junge von fünfzehn.Seine Lippen und Wangen waren von dunklem Flaum bedeckt, und er befand sich gerade im Stimmbruch.
Earl Sawyer führte die Reporter und Kameraleute hinaus zur Whateley-Farm und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den schauerlichen Gestank, der jetzt von dem verschlossenen oberen Stockwerk herabzusickern schien. Es war derselbe Geruch, sagte er, den er in dem verlassenen Geräteschuppen festgestellt habe, und er gleiche den schwachen Dünsten, die er schon manches Mal im Bereich der Steinkreise auf den Bergen wahrgenommen habe. Die Bewohner von Dunwich lasen diese Berichte, sobald sie erschienen, und machten sich über offensichtliche Fehler lustig. Sie fragten sich auch, warum die Journalisten der Tatsache so viel Bedeutung zumaßen, daß der alte Whateley sein Vieh stets mit Goldstücken aus längst vergangenen Zeiten bezahlte. Die Whateleys hatten die Besucher mit schlechtverhohlenem Mißfallen empfangen, aber sie wollten nicht durch gewaltsamen Widerstand oder Weigerung zu reden noch mehr das Interesse der Öffentlichkeit auf sich lenken.
IV
Für die nächsten zehn Jahre versinkt die Geschichte der Whateleys im täglichen Leben einer morbiden Gemeinde, die sich mit ihrer sonderbaren Lebensweise und ihren Orgien in Mainächten und zu Allerheiligen abgefunden hatte. Zweimal im Jahr pflegten sie große Feuer auf dem Gipfel von Sentinel Hill anzuzünden, wobei das dumpfe Grollen in den Bergen mit immer größerer Gewalt wiederkehrte; und das ganze Jahr hindurch geschah Merkwürdiges und Unheilvolles auf der einsamen Farm. Im Lauf der Zeit erklärten Beobachter, sie hörten selbst dann Laute aus dem verschlossenen oberen Stockwerk, wenn die ganze Familie sich unten aufhielt, und man wunderte sich, wie schnell eine Kuh oder ein Ochse für gewöhnlich geopfert wurde. Man sprach schon davon, bei der »Gesellschaft zur Verhütung von Grausamkeiten an Tieren« Beschwerde einzureichen; aber daraus wurde nichts, weil die Bewohner von Dunwich noch nie besonders darauf aus waren, die Aufmerksamkeit der Außenwelt auf sich zu lenken.
Ungefähr im Jahre 1923, als Wilbur ein Junge von zehn Jahren war, dessen Intelligenz, Stimme, Statur und Bartwuchs alle Anzeichen von Reife zeigten, mußte das alte Farmgebäude einen zweiten Angriff von Restaurierung über sich ergehen lassen.
Diesmal ging es um das Innere des festverriegelten ersten Geschosses, und aus den Holzteilen, die herumlagen, schloß man; daß der Junge und sein Großvater alle Zwischenwände und sogar den Boden zum Dach herausgenommen und so einen riesigen Raum zwischen dem Erdgeschoß und dem Spitzdach geschaffen hatten. Sie hatten selbst den großen Kamin entfernt und statt dessen ein dürftiges eisernes Herdrohr an der Außenseite angebracht.
Im Frühling nach diesem Ereignis bemerkte der alte Whateley die zunehmende Zahl der Ziegenmelker, die aus der Cold-Spring-Schlucht kamen, um Abend für Abend vor seinem Fenster zu schreien. Er schien dem große Bedeutung zuzumessen und sagte den herumlungernden Dorfbewohnern vor Osborns, daß er glaube, seine Zeit sei gekommen.
»Sie schrein jetzt im Takt mit meinem Atem«, sagte er, »und ich wette, sie lauern bloß drauf, sich meine Seele zu schnappen. Sie wissen, daß ich bald dran bin, und sie wollen sie sich nicht entwischen lassen. Ihr wißt schon, Jungs, wenn ich nicht mehr da bin, ob sie sie gekriegt haben oder nicht. Wenn ja, dann singen sie und lachen sich eins bis zum Morgen. "Wenn nicht, dann werden sie ganz still. Oh ja, ich glaube schon, daß sie und die Seelen, denen sie nachjagen, manchmal ganz schön harte Kämpfe austragen.«
Am i. August 1924 in der Nacht wurde Dr. Houghton aus Aylesbury von Wilbur Whateley dringend verlangt, der mit seinem letzten Pferd durch die Dunkelheit galoppiert war und ihn von Osborns Store aus angerufen hatte.
Der Arzt fand den Zustand des alten Whateley sehr bedenklich; ein unregelmäßiger Herzschlag und sein rasselnder Atem deuteten auf ein nahes Ende hin. Die mißgestaltete Albinotochter und der seltsam behaarte Enkel standen an seinem Bett, während über ihren Köpfen aus der leeren Halle ein beunruhigendes gleichmäßiges Schleifen oder Schwingen zu hören war, als ob Wellen an einen Strand schlügen. Dem
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