Cugel der Schlaue
eingerieben.«
»Nun, dann sieh jetzt zu, daß du etwas gegen dieses grauenvolle Klatschen unternimmst!«
Cugel beeilte sich zu gehorchen, während Kapitän Baunt zur Steuerbordreling ging. Hier entdeckte er neuen Grund zur Unzufriedenheit. »Wurminger, wo ist der Köder? Ich befahl Doppelköder mit Betörungszusatz!«
»Herr, man kann den Wurm nicht behandeln, während er sich anstrengt, um an den Köder zu gelangen.«
»Warum hast du es überhaupt getan? Ich habe keinen Mulzent befohlen!«
Cugel richtete sich zur vollen Größe auf. »Herr Kapitän, ich habe den Wurm nach meiner Erfahrung und eigenem Gutdünken behandelt!«
Kapitän Baunt starrte ihn erstaunt an, warf wortlos die Arme hoch, drehte sich um und kehrte zu seiner Koje zurück.
Lausica a
Die Sonne, die sich dem Westen entgegenneigte, ver schwand hinter tiefhängenden Wolken, und die Dämmerung kam verfrüht. Die Luft war völlig still, die Meeresoberfläche sah aus wie schwerer Satin, nur daß sie den Himmel widerspiegelte, so daß es den Anschein hatte, als segle die Galante durch ein wundersames lavendelfarbiges Leuchten. Nur der Bug verursachte V-förmige Wellen, die, sich kräuselnd, die Glätte brachen.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang tauchte Lausicaa am Horizont auf: ein Schatten, der sich fast in der pflaumenfarbigen Düsternis verlor.
Als die Nacht sich herabsenkte, flackerten Dutzende Lichter aus der Stadt Pompodouros um den Hafen auf, spiegelten sich in ihm und erleichterten dem Steuermann die Arbeit.
Die Piers hoben sich aus dem widerspiegelnden Licht schwärzer als schwarz ab. Doch der Dunkelheit und des unbekannten Gewässers wegen beschloß Kapitän Baunt vorsichtshalber Anker zu werfen, statt an einem Pier anzulegen.
Vom Achterdeck rief Kapitän Baunt: »Drofo! Holt Eure Köder hoch!«
»Köder hoch!« bestätigte Drofo, dann in verändertem Ton: »Cugel! Entködere die Würmer!«
Cugel riß die Köder von den beiden Backbordwürmern hoch, eilte über Deck, sprang hinunter auf die Steuerbordlaufplanke und entköderte auch den Steuerbordwurm. Kaum, daß die Galante sich durch die lässige Flossenbewegung der Würmer auch nur rührte.
Trotzdem rief Kapitän Baunt: »Drofo, haltet die Würmer ruhig!«
»Würmer stillen!« bestätigte Drofo, und dann: »Cugel, Würmer stillen! Beeil dich!«
Cugel stillte den Steuerbordwurm, fiel dabei jedoch ins Wasser, dadurch verzögerte sich das Stillen an Backbord, was zu einem neuerlichen, verärgerten Befehl des Kapitäns führte: »Drofo, beeilt Euch mit dem Stillegen! Oder führt Ihr vielleicht ein Bestattungsritual durch? Bootsmann, Anker bereit!«
»Schon am Stillen!« versicherte Drofo dem Kapitän. »Cugel, mach schnell!«
»Anker bereit, Herr!«
Endlich lagen die Würmer ruhig und die Galante ebenfalls.
»Anker fallen lassen!« rief Baunt.
»Anker im Wasser, Herr! Grund bei sechs Faden.«
Fast reglos lag die Galante vor Anker. Cugel lokkerte das Geschirr der Würmer, rieb die Tiere mit Salbe ein und fütterte sie.
Nach dem Abendessen ließ Kapitän Baunt die Besatzung an Deck antreten und ersuchte auch die Passagiere an seiner Ansprache teilzunehmen. Etwas erhöht auf dem Niedergang stehend, gab er eine Einführung über Lausicaa und die Stadt Pompodouros.
»Jene unter euch, die diese Insel schon einmal besuchten – und ich glaube nicht, daß es viele sind –, werden meine Mahnung, ja Warnung verstehen. Kurz gesagt, ihr werdet feststellen, daß gewisse Sitten und Gebräuche dieser Inselbewohner sich von unseren unterscheiden. Wie sie euch auch vorkommen mögen, seltsam, widersinnig, lächerlich, abscheulich, erfreulich oder nachahmenswert, wir müssen sie beachten und uns nach ihnen richten, denn ganz gewiß werden die Lausicaaner sich nicht uns anpassen.«
Kapitän Baunt wandte sich lächelnd an Madame Soldinck und ihre drei Töchter: »Da meine Belehrung hauptsächlich für die Männer bestimmt ist und ich möglicherweise einiges zur Sprache bringen muß, das als geschmacklos erachtet werden könnte, aber wissensnotwendig ist, kann ich Sie, meine Damen, nur um Nachsicht bitten.«
Soldinck rief schroff: »Genug des Herumgeredes, Baunt! Sprecht frei heraus. Schließlich sind wir alle einsichtig, auch Madame Soldinck.«
Kapitän Baunt wartete, bis das Lachen verstummte. »Nun gut! Werft einen Blick auf den Kai dort! Ihr seht drei Personen unter einer Straßenlaterne stehen. Alle drei sind Männer. Ihre Gesichter sind unter Kapuzen und hinter Schleiern verborgen. Für
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