Cugel der Schlaue
an die Reling und rief zu Cugel hinunter: »Dieser Stechsaugerbefall ist grauenvoll! Und wenn ich mich nicht täusche, deutet die Schwellung auf ein schlimmes Geschwür hin, das sofort geöffnet werden muß!«
Cugel, der sich an Drofos Gespräch mit dem Kapitän erinnerte, machte sich umgehend an die Arbeit. Halb unter Wasser setzte er Bohrer, Saugrohr und Zughaken ein, und nach drei Stunden größter Anstrengung gelang es ihm, das Geschwür zu entfernen. Sofort bekam der Wurm frischere Farbe und strengte sich mit neuem Eifer an.
Als Cugel schließlich an Deck zurückkehrte, hörte er Drofo Lankwiler zurufen: »Dein Außenwurm sieht viel besser aus. Mach so weiter!«
Cugel überquerte das Deck und schaute auf Lankwilers Außenwurm hinunter. Wie merkwürdig, daß Lankwilers gelbes Tier mit seinen ganzen Nestern von Saugstechern und sonstigen Schmarotzern über Nacht so erstaunlich sauber geworden war, während zur selben Zeit Cugels völlig gesunder, rosiger Wurm so befallen wurde!
Cugel dachte eingehend darüber nach. Er kletterte auf die Planke hinunter zum Außenwurm und kratzte an seinen Knoten. Unter der blauen Farbe schimmerte es gelb.
Cugel überlegte noch weiter, dann tauschte er seine Würmer aus: Er brachte den völlig gesunden Wurm nach außen.
Beim Abendessen, das er mit Lankwiler einnahm, klagte Cugel sein Leid. »Erstaunlich, wie schnell die Tiere von Saugstechern befallen werden und Geschwüre entwickeln! Den ganzen Tag habe ich an dem Wurm gearbeitet, und heute abend brachte ich ihn zur Innenseite, wo ich ihn noch besser pflegen kann.«
»Eine gute Idee«, lobte Lankwiler. »Ich konnte zumindest einen meiner Würmer heilen, und der andere scheint sich auch zu erholen. Hast du übrigens gehört? Wir steuern Lausicaa an, damit Madame Soldinck in dem Paphnissischen Wasser baden und als Jungfrau wieder auftauchen kann.«
»Ich weiß auch etwas, das ich dir ganz im Vertrauen sage. Der Schiffsjunge hat mir erzählt, daß Drofo einen erfahrenen Wurminger namens Pulk in Pompodouros anheuern will.«
Lankwiler kaute an seiner Lippe. »Das verstehe ich nicht. Er hat doch bereits zwei tüchtige Wurminger.«
»Ich kann mit zwar kaum vorstellen, daß er beabsichtigt, dich oder mich zu entlassen. Aber das dürfte wohl so sein, wenn er einen anderen an Bord bringen will.«
Lankwiler runzelte die Stirn und beendete stumm sein Mahl. Cugel wartete, bis Lankwiler sein Abendschläfchen machte, dann schlich er zur Steuerbordlaufplanke und schnitt tief in die Knoten von Lankwilers krankem Tier. Zu seiner eigenen Laufplanke zurückgekehrt, arbeitete er sehr auffällig an der Entfernung der Saugstecher.
Aus den Augenwinkeln bemerkte er, daß Drofo an die Reling trat, kurz blieb und sich wieder entfernte.
Um Mitternacht wurden die Köder entfernt, damit die Tiere sich ausruhen konnten. Die Galante trieb ruhig auf der unbewegten See. Der Steuermann band das Ruder fest; der Schiffsjunge schnarchte unter der großen Buglaterne, wo er eigentlich Ausschau halten sollte. Am Himmel glitzerten die noch überlebenden Sterne wie Achernar, Algol, Canopus und Cansaspara.
Da kroch Lankwiler aus seinem Winkel. Wie eine große schwarze Katze schlich er über Deck und schwang sich hinab zur Steuerbordlaufplanke. Er löste den kranken Wurm und lockte ihn aus der Halterung.
Der Wurm trieb frei auf dem Wasser. Lankwiler sprang in den Spreizsitz und zog an den Knoten. Aber die Nerven waren durchtrennt und da verursachte die geringste Berührung heftige Schmerzen. So peitschte der Wurm mit den Schwanzflossen und brauste nordwestwärts dahin, während Lankwiler nun erst recht verzweifelt an den Knoten zog und drehte.
Am Morgen war Lankwilers Verschwinden das Gesprächsthema Nummer eins. Oberwurminger Drofo, Kapitän Baunt und Soldinck trafen sich im Aufenthaltsraum, um ihre Meinung darüber auszutauschen. Schließlich wurde Cugel hinzugezogen.
Soldinck, der auf einem hochlehnigen Stuhl aus feingeschnitztem Skeel saß, räusperte sich. »Cugel, wie du weißt, ist Lankwiler mit einem wertvollen Wurm verschwunden. Kannst du vielleicht Licht in die Sache bringen?«
»Wie alle anderen kann ich nur raten.«
»Wir würden uns freuen, deine Meinung zu hören«, forderte Soldinck ihn zum Sprechen auf.
Bedächtig sagte Cugel: »Ich glaube, Lankwiler hatte keine Hoffnung mehr, ein tüchtiger Wurminger zu werden. Seine Würmer wurden krank, und Lankwiler verlor allen Mut. Ich versuchte, ihm zu helfen und gestattete ihm, sich einen meiner
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