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Cugel der Schlaue

Cugel der Schlaue

Titel: Cugel der Schlaue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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spähten und mit zwei Rüsseln, links und rechts ihres Kopfkamms, Fleisch witterten.
    Der untere Rand der Sonnenscheibe berührte bereits den Horizont. In seiner Verzweiflung brach Cugel ein paar Zweige eines Knisterbusches ab, die als Fackeln gut geeignet waren, und ging auf ein Schlundloch zu, wo er sich einen Baumturm erwählte, der ein wenig abseits von den anderen stand. Beim Näherkommen sah er wieselgleich Gestalten an den Fenstern hin und her eilen.
    Er zog sein Schwert und hämmerte auf die Plankenwand. »Ich bin es, Cugel!« donnerte er. »Der König dieser armseligen Öde! Wie kommt es, daß keiner von euch seinen Zehnt gezahlt hat?«
    Aus dem Innern wurden schrillstimmige Beschimpfungen laut, und Unrat flog aus den Fenstern. Cugel zog sich ein Stück zurück und zündete einen seiner Knisterbuschzweige an. Empörte Schreie erklangen hinter den Wänden, und gewisse Bewohnerdes Baumturms rannten über Äste der Trauerweide und rutschten hinunter in das Wasser des Schlundlochs.
    Cugel hielt wachsam auch hinter dem Rücken Ausschau, um zu verhindern, daß irgendwelche der Geschöpfe sich von hinten anschlichen und ihm auf den Rücken sprangen. Wieder hämmerte er mit dem Schwertknauf an die Wände. »Genug der Abfälle und des Schmutzes! Zahlt sofort tausend Terces, oder verlaßt den Bau!«
    Aus dem Innern war nunmehr nur noch Wispern und Zischeln zu vernehmen. Wachsam nach allen Richtungen schauend, ging Cugel vorsichtig um den Baumturm herum, bis er eine Tür fand. Er streckte seine Fackel hinein und sah einen Werkraum vor sich, mit einer polierten Kalksteinbank an einer Wandseite. Auf der Bank standen Kannen, Becher und Schüsseln aus Alabaster. Es gab weder Herd noch Kamin, denn die Baumturmbewohner scheuten das Feuer, noch war eine Verbindung zu den oberen Stockwerken – wie Leitern, Treppen oder Falltüren – zu sehen.
    Cugel ließ seine Knisterbuschzweige und die brennende Fackel auf dem Lehmboden des Werkraums zurück und machte sich daran, weiteres Brennholz zu holen. In dem pflaumenfarbigen Nachglühen des Abendrots sammelte er vier Armvoll Reisig und trokkene Äste, die er zu dem Baumturm schleppte. Als er mit dem letzten Armvoll zurückkehrte, hörte er erschreckend nahe den schwermütigen Ruf eines Vispen.
    Cugel überschlug sich nun schier in seiner Eile, die Behausung zu erreichen. Wieder beschimpften ihn die empörten Bewohner, und schrille Schreie echoten von den Wänden des Schlundlochs.
    »Ruhe, Geschmeiß!« brüllte Cugel. »Ich brauche meinen wohlverdienten Schlaf!«
    Niemand kümmerte sich um seinen Befehl. So holte Cugel seine Fackel aus dem Werkraum und schwang sie in alle Richtungen. Sofort verstummte der Lärm.
    Cugel kehrte ins Innere zurück und versperrte die Tür mit einer schweren Kalksteinplatte, die er mit einer Stange festklemmte. Dann richtete er das Feuer so, daß es langsam, ein Zweig nach dem andern, brennen würde. In seinen Umhang gehüllt, streckte er sich zum Schlafen aus.
    Während der Nacht stand er ein paarmal auf, um nach seinem Feuer zu sehen, zu lauschen und durch einen Spalt über das Schlundloch zu spähen. Aber alles war ruhig, von den Schreien herumstreifender Vispen abgesehen.
    Bei Sonnenaufgang erhob Cugel sich. Durch die verschiedenen Spalten schaute er ins Freie, doch nichts Ungewöhnliches war zu sehen und kein Laut zu hören.
    Nachdenklich schürzte Cugel die Lippen. Mehr oder weniger heimliche Zeichen von Feindseligkeit wären ihm lieber gewesen, denn diese Stille war ihm zu unnatürlich und beunruhigend.
    Er fragte sich: »Weshalb sollte ich mich Feuer oder Schwert aussetzen?«
    Dann: »Ich würde eine schreckliche Überraschung vorbereiten!«
    Schließlich: »Die Vernunft läßt an eine Falle denken. Nun denn, sehen wir mal, was zu sehen ist!«
    Cugel zog die Kalksteinplatte von der Tür zurück. Alles war ruhig, ja sogar noch stiller – wenn das möglich war – als zuvor. Selbst das Schlundloch schien den Atem anzuhalten. Eingehend studierte er den Boden vor dem Baumturm. Er blickte nach links, blickte nach rechts, und sah Stricke von den Zweigen hängen. Unmittelbar vor der Tür war verdächtig viel frische Erde gestreut worden, die jedoch nicht völlig die Umrisse eines Netzes zu verbergen vermochte.
    Er hob die Kalksteinplatte und schmetterte sie gegen die hintere, mit Holzzapfen zusammengefügte Wand. Sie barst, Cugel sprang durch das Loch und rannte davon, verfolgt von empörtem, enttäuschten Gebrüll.
    Immer weiter südwärts wanderte

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