Cugel der Schlaue
fielen bittere Worte, doch schließlich wurden die fünf Terces mürrisch angenommen, und Cugel wanderte weiter. Kaum bog er um den Wagen, brachen die Brüder in schallendes Gelächter aus.
Die Mermelanten hatten sich im Schmutz ausgestreckt und suchten mit der langen Zunge nach Süßgräsern zwischen den Wildkräutern am Straßenrand. Als Cugel an ihnen vorbeikam, fragte das Leittier mit vollem Maul kauend und deshalb kaum verständlich: »Warum lachen diese Tölpel?«
Cugel zuckte die Schulter. »Ich half ihnen mit ein wenig Magie, dabei flog ihr Rad davon, so gab ich Ihnen fünf Terces, damit sie sich beruhigten.«
»Gauner, gerissen und verschlagen!« rief der Mermelant. »Vor einer Stunde schickten sie den Jungen um ein neues Rad zum Hof. Sie wollten das alte gerade in den Straßengraben rollen, als Ihr daherkamt.«
»Ich stehe über solchen Erbärmlichkeiten«, erklärte Cugel. »Sie schlugen mir als Unterkunft für die Nacht das Haus von Faucelme vor. Ich bezweifle, daß sie es gut meinten.«
»Ah, diese heimtückischen Knechte!* Sie glauben, sie können einen jeden hereinlegen. Also schicken sie Euch zu einem Zauberer von zweifelhaftem Ruf.«
Besorgt suchte Cugel die vor ihm liegende Gegend ab. »Gibt es keine andere Übernachtungsmöglichkeit?«
»Unsere Knechte nahmen früher Wanderer auf und meuchelten sie im Schlaf. Doch keiner wollte die Leichen verscharren, also gaben sie es auf. Die nächste Unterkunft findet Ihr zwanzig Meilen von hier.«
»Das höre ich gar nicht gern«, murmelte Cugel betroffen. »Wie kann man mit Faucelme zurechtkommen?«
Die Mermelanten kauten Süßgräser. Einer fragte: »Habt Ihr Bier bei Euch? Wir haben einen guten Ruf als Biertrinker und zeigen allen unsere Bäuche.«
»Ich habe leider nur Holzäpfel, die ich euch jedoch gern überlasse.«
* Um ihr Selbstbewußtsein zu erhalten, sprechen die Mermelanten von ihren Herren als »Knechten« und »Pflegern«. Die üblicherweise gutmütigen Geschöpfe trinken gern Bier. In angeheitertem Zustand bäumen sie sich auf ihren hinteren Plattfüßen auf, um ihren gerippten weißen Bauch herzuzeigen. In diesem Zustand sind sie leicht erregbar. Beim geringsten Anlaß fangen sie zu toben an und können in ihrer Zerstörungswut großen Schaden anrichten.
»O ja, sie schmecken gut!«
Also verteilte Cugel die Äpfel aus seinem Beutel.
»Wenn Ihr zu Faucelme geht, müßt Ihr Euch vor seinen Schlichen hüten. Ein fetter Kaufmann über lebte, weil er die ganze Nacht schlüpfrige Lieder sang und Faucelme nie den Rücken zuwandte.«
Einer der Brüder kam um den Wagen. Er blieb verärgert stehen, als er Cugel sah. »Was habt Ihr hier noch zu suchen? Hinfort und hört auf, die Mermelanten zu belästigen.«
Ohne den Burschen einer Antwort zu würdigen, marschierte Cugel weiter. Als die Sonne die Baumwipfel am Horizont berührte, kam er zu Faucelmes Haus: ein langgestreckter, mehrstöckiger Holzbau mit einer Vielzahl von Erkern, gedrungenen Türmen mit Fenstern ringsum, hohen Giebeln, Dächern in verschiedener Höhe und einem Dutzend dünner Schornsteine.
Hinter einem Baum verborgen betrachtete Cugel das Haus. Hinter mehreren Fenstern brannte Licht, aber nichts rührte sich. Er fand, das Haus machte einen freundlichen Eindruck und man könnte eigentlich nicht erwarten, daß sein Bewohner seinen Gästen heimtückisch an den Kragen ging.
Geduckt Bäume und Sträucher als Deckung benutzend, schlich Cugel sich an das Haus. Mit katzengleicher Lautlosigkeit huschte er zu einem Fenster und spähte hinein.
An einem Tisch, über ein Buch mit vergilbten Blättern gebeugt, saß ein Mann unbestimmbaren Alters, kahlköpfig von einem Kranz braungrauer Haare abgesehen, und mit Hängeschultern. Eine lange Hakennase schob sich aus einem verhältnismäßig flachen Gesicht, und die milchig goldenen Augen lagen eng beisammen, Arme und Beine waren lang und eckig. Er trug einen schwarzen Samtanzug und Ringe an jedem Finger, am Zeigefinger sogar drei. Wie er so in seinem Buch las, wirkte sein Gesicht friedfertig und versonnen, und Cugel suchte vergebens nach Spuren von Verruchtheit.
An der Wand gegenüber dem Tisch stand eine lange Kommode, darauf befanden sich allerlei Raritäten: eine kleine Pyramide aus schwarzem Stein, eine Seilrolle, Glasfläschchen und allerlei anderes. An der Wand hingen kleine Masken; Bücher reihten sich in einem Regal; auf einem Tisch lagen eine Zither und ein ungewöhnlich geformtes Messinginstrument.
Auf leisen Sohlen rannte
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