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Cujo

Cujo

Titel: Cujo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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waren für sie alle eine Zeit voller Angst und Spannung. Vics und Donnas Sohn Tad war erst ein Jahr alt. Donna vermißte New York und war abwechselnd mürrisch und launenhaft. Sie fürchtete sich ganz einfach vor der Zukunft. Roger litt an einem alten Magengeschwür - eine der Wunden aus vielen Werbeschlachten -, und als er und Althea ihr Baby verloren, hatte es sich wieder unangenehm bemerkbar gemacht, und Roger hatte sich das Tablettenschlucken angewöhnt. Althea hatte sich unter den Umständen noch am besten gehalten, fand Vic, bis Donna ihn darauf hinwies, daß aus dem einen schwachen Drink, den die ausgeglichene Althea vor dem Dinner zu sich zu nehmen pflegte, zwei vorher und drei nachher geworden waren. Gemeinsam und getrennt waren die Ehepaare in Maine auf Urlaub gefahren, aber weder Vic noch Roger hatte geahnt, wie viele Türen einem verschlossen bleiben, wenn man von außerhalb zugewandert ist.
    Sie wären auch tatsächlich untergegangen, wie Roger sagte, wenn Sharp nicht beschlossen hätte, sie weiterhin zu beschäftigen. Und in der Zentrale der Firma in Cleveland hatten sich die Positionen eigenartig verschoben. Jetzt war es der Alte, der an ihnen festhalten wollte, und der Junge (inzwischen vierzig Jahre alt) wollte sie zum Teufel jagen. Er argumentierte nicht ohne Logik, daß es heller Wahnsinn sei, den Etat einer Zweimann-Agentur sechshundert Meilen nördlich vom Zentrum New Yorks zu überlassen. Die Tatsache, daß Ad Worx mit New Yorker Marketing-Spezialisten zusammenarbeitete, verfing bei dem Jungen nicht, und sie hatte auch bei den anderen Firmen nicht verfangen, für die sie in den letzten Jahren Werbekonzepte entworfen hatten.
    »Wenn Treue Toilettenpapier wäre«, hatte Roger bitter gesagt, »könnten wir uns kaum noch den Arsch abwischen, alter Junge.«
    Aber Sharp war gekommen und hatte ihnen den Spielraum verschafft, den sie so dringend brauchten. »Wir sind vierzig Jahre lang mit einer örtlichen Agentur ausgekommen«, sagte der alte Sharp, »und wenn die Jungs diese gottlose Stadt verlassen wollen, beweisen sie nur gesunden Menschenverstand.«
    Das war’s. Der Alte hatte gesprochen. Der Junge hielt den Mund. Und während der letzten zweieinhalb Jahre hatte der Scharfschütze weiter Kekse verschossen, George und Grade hatten weiter in ihrer schäbigen Küche Sharp-Kuchen gegessen, und der Cornflake-Professor von Sharp hatte den Kindern nach wie vor erzählt, daß hier nichts verkehrt sei. Die eigentliche Produktion der Spots war einem unabhängigen kleinen Studio in Boston übertragen worden, und die New Yorker Marketing-Spezialisten arbeiteten genauso kompetent und sorgfältig wie vorher. Den Verkehr zwischen dem Kunden und der Agentur regelten die Post und die Bell-Telefongesellschaft. Das war zwar ungewöhnlich und manchmal lästig, aber es funktionierte.
    Und dann kamen die roten Himbeerflakes.
    Vic und Roger hatten natürlich schon einige Zeit von ihnen gewußt, obwohl sie erst vor ungefähr sechs Wochen, im April 1980 auf den Markt gekommen waren. Die meisten Getreideprodukte von Sharp waren überhaupt nicht oder nur leicht gesüßt. Die roten Himbeerflakes aber zielten auf den Teil der Kundschaft, der Süßeres verlangte. Sie sollten die Leute ansprechen, die Produkte wie Count Chocula, Frankenberry oder Lucky Charins kauften, alles Produkte, die in der Grauzone zwischen Nährmitteln und Süßwaren angesiedelt waren.
    Im Spätsommer und im Frühherbst 1979 waren die roten Himbeerflakes erfolgreich in Boise, Idaho und in Scranton, Pennsylvania, sowie in Rogers Wahlheimat Bridgton, Maine, getestet worden. Roger hatte Vic schaudernd erzählt, daß er seine Zwillinge nicht einmal in die Nähe dieser Dinger lassen würde (aber er hatte sich doch gefreut, als Althea ihm erzählte, die Kinder hätten sofort danach geschrien, als sie sie im Supermarkt entdeckten). »Sie enthalten mehr Zucker als Getreide, und die Packungen sind rot wie Feuerwehrautos.«
    Vic hatte genickt und, ohne auch nur im Traum daran zu denken, daß er damit eine Prophezeiung aussprach, ganz arglos gesagt: »Als ich das erste Mal in eine dieser Schachteln sah, glaubte ich, sie sei voll Blut.«

    »Was meinst du also?« wiederholte Roger. Er hatte sein Sandwich halb geschafft, während Vic über die betrübliche Wendung der Dinge nachdachte. Er war überzeugt, daß der alte Sharp und sein alternder Sohn in Cleveland nur darauf warteten, sie abzuschießen.
    »Wir müssen es versuchen.«
    Roger klopfte ihm auf die Schulter.

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