Cujo
einem älteren Charakterdarsteller gespielt, war der Cornflake-Professor von Sharp eine unaufdringliche und auf gewagte Weise erwachsene Werbung in einer Flut von lebhafter, krampfhaft auf Kinder abgestimmter Reklame für Bubble-Gum, Abenteuerspielzeug, Puppen, Action-Puppen … und Konkurrenzflocken.
Die Anzeige blendete ein leeres Klassenzimmer für die vierte oder fünfte Klasse ein, eine Szene, mit der sich das Samstagsvormittagspublikum der Bugs Bunny Show besonders gut identifizieren konnte. Der Cornflake-Professor von Sharp trug unter einem Sportsakko einen Pullover mit V-Ausschnitt und ein Hemd.mit offenem Kragen. Sein Aussehen und seine Sprache waren gemildert autoritär; Vic und Roger hatten mit vierzig Lehrern und einem halben Dutzend Kinderpsychiatern gesprochen und dabei festgestellt, daß dies dem elterlichen Rollenmodell entsprach, bei dem sich die meisten Kinder wohl fühlen und das so wenige von ihnen tatsächlich zu Hause erleben können.
Der Cornflake-Professor saß zwanglos am Schreibtisch - und der junge Zuschauer mochte irgendwo unter dem grüngrauen Tweed das Herz eines wahren Freundes vermuten - aber er sprach gemessen und ernst. Er kommandierte nicht. Er redete niemanden unter den Tisch. Er beschwatzte niemanden. Er versuchte nicht zu überzeugen, und er pries nicht an. Er sprach zu den Millionen Cornflakes essenden, Zeichentrickfilme sehenden Samstagsvormittagszuschauern in T-Shirts, als seien sie richtige Menschen.
»Guten Morgen, Kinder«, sagte der Professor ruhig. »Dies ist eine Werbesendung für Cornflakes. Hört mir bitte genau zu. Ich verstehe sehr viel von Cornflakes, denn ich bin der Cornflake-Professor von Sharp. Sharps Cornflakes - Twinkles, Cocoa Bears, Bran-16 - sind die schmackhaftesten Cornflakes in Amerika. Und sie sind gut für euch.« Ein paar Takte Schweigen, und dann grinste der Cornflake-Professor von Sharp … und wenn er grinste, wußte man, daß das Herz eines wahren Freundes in seiner Brust schlug. »Ihr könnt es mir glauben, denn ich weiß es. Eure Mutter weiß es; ich dachte, daß ihr es vielleicht auch erfahren wolltet.«
In diesem Augenblick kam ein junger Mann ins Bild und reichte dem Cornflake-Professor von Sharp eine Schale mit Twinkles oder Cocoa Bears oder sonst etwas. Der Cornflake-Professor von Sharp fing an zu essen und richtete den Blick dann in jedes Wohnzimmer im ganzen Land und sagte: »Nein, hier ist nichts verkehrt.«
Der letzte Satz hatte dem alten Sharp nicht sonderlich gefallen, schon gar nicht der Gedanke, daß etwas mit seinen Getreideprodukten überhaupt verkehrt sein könnte. Schließlich hatten Vic und Roger ihn überzeugen können, wenn auch nicht mit rationalen Argumenten. Werbung ist keine rationale Angelegenheit. Manchmal tat man gefühlsmäßig das Richtige, aber warum man es für richtig hielt, wußte man nicht. Vic und Roger hatten das Gefühl, daß der letzte Satz des Professors ungeheuer wirksam sein mußte. Vom Cornflake-Professor gesprochen, bedeutete er die endgültige und totale Beruhigung, versprach er völlige Sicherheit. Mir könnt ihr vertrauen, schwang darin mit. In” einer Welt, in der Eltern sich scheiden lassen, in der man von größeren Geschwistern ohne jeden Grund fürchterlich verprügelt wird, in der die Guten durchaus nicht immer gewinnen, wie es im Fernsehen der Fall ist, wo man nicht immer zu den schönen Geburtstagspartys eingeladen wird, in einer Welt, in der so vieles verkehrt ist, wird es immer Twinkles und Cocoa Bears geben, und sie werden immer gut schmecken. »Nein, hier ist nichts verkehrt.«
Von Sharps Sohn hatten sie einige Unterstützung (man hätte glauben können, meinte Roger, daß der Junge die Anzeige selbst ausgedacht und entworfen hätte), der Cornflake-Profes-sor wurde akzeptiert und garnierte Samstagsvormittagsprogramme wie Star Blazers. U.S. of Archie, Hogans Heroes, und Gilligans Island. Der Umsatz der Sharp-Cornflakes stieg noch stärker als der der übrigen Sharp-Produkte, und der Cornflake-Professor wurde zu einer amerikanischen Institution. Sein letzter Satz »Nein, hier ist nichts verkehrt« wurde zu einer Redensart, die ungefähr dasselbe bedeutete wie »Ruhig bleiben« oder »Nur keine Panik«.
Als Vic und Roger beschlossen, sich selbständig zu machen, taten sie das unter strikter Wahrung des Protokolls. Sie sprachen ihre früheren Kunden erst an, als sie sich formal - und in gutem Einvernehmen - von der Agentur Ellison getrennt hatten. Ihre ersten sechs Monate in Portland
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