Cujo
gesehen, die sich den Bast von den Geweihen scheuerten, und das, bevor die erste Wanderdrossel aufgetaucht ist! Als der Schnee schmolz, war Gras darunter! Grünes Gras, Meara!«
»Tatsächlich, Ewie?« erwiderte George, da irgendeine Antwort geboten schien. Er bekam0 Kopfschmerzen.
»Was?«
»TATSÄCHLICH, TANTE EVVIE?« kreischte George. Speichel spritzte von seinen Lippen.
»Oh, jaa!« heulte Tante Evvie zufrieden. »Und gestern abend habe ich Wetterleuchten gesehen! Ein schlechtes Zeichen, Meara! Frühes Wetterleuchten ist ein schlechtes Zeichen! In diesem Sommer werden eine Menge Leute an Hitze sterben! Es wird ein schlimmer Sommer!«
»Ich muß weiter, Tante Ewie!,« gröhlte George. »Ich habe eine Eilzustellungfür Stringer Beaulieu!«
Ewie Chalmers warf den Kopf zurück und gackerte in den Frühlingshimmel. Sie gackerte, bis sie fast erstickt wäre, und diesmal fiel die Zigarettenasche vorn auf ihr Hauskleid. Sie spuckte die Zigarette aus, und sie blieb glimmend neben einem ihrer Altweiberschuhe liegen - ein Schuh schwarz wie ein Ofen und eng wie ein Korsett; ein Schuh für die Ewigkeit.
»Du hast eine Eilzustellung für Frenchy Beaulieu? Der könnte den Namen aufseinem eigenen Grabstein nicht lesen!«
»Ich muß weiter, Tante Ewie« sagte George rasch und legte den Gang ein.
»Frenchy Beaulieu ist ein reiner Dummkopf von Geburt, wenn Gott je einen gemacht hat!« schrie Tante Ewie, aber sie schrie in den Wind, denn George war die Flucht gelungen.
Sie blieb noch eine Minute am Briefkasten stehen und schaute ihm nach. Private Post hatte sie nicht bekommen; die bekam sie in letzter Zeit selten. Die meisten Leute, die sie kannte und die ihr hätten schreiben körinen, waren inzwischen tot. Sie würde ihnen bald folgen, vermutete gie. Bei dem Gedanken an den bevorstehenden Sommer hatte sie ein ungutes Gefühl, ein Angstgefühl. Sie konnte darüber reden, daß die Mäuse früh aus ihren Löchern gekommen waren, und über das Wetterleuchten am Frühlingshimmel, aber sie konnte nicht über die Hitze sprechen, die sie irgendwo über dem Horizont spürte, die dort lauerte wie eine ausgemergelte, aber starke Bestie mit krätzigem Fell und rotglühenden Augen; sie konnte nicht über ihre Träume sprechen, die heiß und schattenlos und durstig waren; sie konnte nicht darüber sprechen, daß sie früh am Morgen ohne jeden Grund weinen mußte und daß die Tränen sie nicht erleichterten, sondern ihr in den Augen brannten wie der Schweiß eines ganzen Sommers. Sie roch Wahnsinn in einem Wind, der noch nicht geweht hatte.
»George Meara, du bist ein alter Furz«, sagte Tante Ewie, und sie zog das Wort so lang, daß es höchst lächerlich klang.
Auf ihren Stock von der Boston Post gestützt, machte sie sich auf den Weg zum Haus zurück. Dieser Stock war ihr im Rathaus feierlich überreicht worden, nur weil sie erfolgreich alt geworden war. Kein Wunder, dachte sie, daß diese verdammte Zeitung Pleite gemacht hatte.
Sie blieb auf ihrer Veranda stehen und schaute in den klaren pastellfarbenen Frühlingshimmel. Sie spürte es kommen: Etwas Heißes. Etwas Böses.
Ein Jahr vor jenem Sommer, als Vic Trentons alter Jaguar am linken Hinterrad ein ärgerliches Klappern entwickelt hatte, war es George Meara gewesen, der ihm riet, den Wagen zu Joe Camber zu bringen, der am Stadtrand von Castle Rock eine Autoreparaturwerkstatt betrieb. »Er legt ein eigenartiges Geschäftsgebaren an den Tag«, sagte George zu Vic, als dieser eines Morgens an seinem Briefkasten stand. »Er sagt Ihnen, was der Job kosten wird, und nach der Reparatur verlangt er genau den Betrag, den er vorher genannt hat. Komische Art, Geschäfte zu machen, was?« Und er fuhr davon und überließ es Vic, sich darüber klar zu werden, ob er das ernst gemeint hatte oder ob Vic nur das Opfer eines Yankeewitzes geworden war. Aber er rief Camber an, und eines Tages im Juli (es war ein kühlerer Juli als der im folgenden Jahr) waren er und Donna gemeinsam hingefahren. Der Laden lag ziemlich weit draußen, und Vic mußte zweimal anhalten, um nach dem Weg zu fragen, und seitdem nannte er diesen Außenbezirk der Gemeinde die Östliche Galoschenecke.
Er fuhr auf Cambers Hof, und das Hinterrad klapperte lauter als je zuvor. Tad, damals drei Jahre alt, saß auf Donna Trentons Schoß und lachte sie an. Eine Fahrt in Daddys Auto »ohne Dach« versetzte ihn immer in gute Stimmung, und auch Donna fühlte sich ausgezeichnet.
Ein Junge von acht oder neun Jahren stand auf dem
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