Cujo
mußt du ihn eben pflegen. Ich habe zuviel Arbeit, um mich um den Köter zu kümmern‹.«
Brett nickte unglücklich. Sie sprach seine eigenen Gedanken aus. Sein Vater hatte schon beim Frühstück schlechte Laune gehabt.
»Du brauchst nichts zu sagen. Er wird schon bei deinem Vater angewinselt kommen, und der wird für ihn sorgen«, sagte Charity. »Er liebt Cujo genauso sehr wie du, wenn er es auch nie zugeben würde. Wenn er sieht, daß mit ihm etwas nicht stimmt, wird er mit ihm zum Tierarzt nach South Paris fahren.«
»Ja, das glaube ich auch.« Die Worte seiner Mutter klangen plausibel, aber trotzdem war Brett nicht sehr glücklich.
Sie bückte sich und küßte ihn auf die Wange. »Ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du willst, rufen wir deinen Vater heute abend an. Und wenn du mit ihm sprichst, fragst du ihn einfach ganz beiläufig: ›Hast du meinen Hund gefüttert, Daddy?‹ und dann wirst du es schon erfahren.«
»Ja«, sagte Brett und lächelte seine Mutter dankbar an. Sie lächelte erleichtert zurück. Der Ärger schien abgewendet. Aber während der Ewigkeit, die es dauerte, bis Joe endlich mit dem Wagen vorgefahren war und die Gepäckstücke einlud, hatte Brett eine andere Sorge. Wenn Cujo nun vor der Abfahrt noch angelaufen kam? Dann würde Daddy selbst sehen, daß etwas mit ihm nicht stimmte.
Aber Cujo war nicht gekommen.
Jetzt öffnete Joe die Heckklappe des Country Squire, reichte Brett die beiden kleineren Taschen und nahm die großen selbst.
»Frau, du hast so viel Gepäck, daß ich mich frage, ob du nicht anstatt nach Connecticut nach Reno fährst, um dich scheiden zu lassen.« (Sie hatte heimlich alle ihre sechs Fotoalben eingepackt.)
Charity und Brett lächelten verlegen. Es hörte sich wie ein Scherz an, aber bei Joe Camber konnte man nie wissen.
»Das wäre schön«, sagte sie.
»Dann müßte ich wohl hinfahren und dich mit dem neuen Kran wieder nach Hause ziehen«, sagte er, ohne zu lächeln. Er hatte seinen grünen Hut nach hinten geschoben. »Junge, wirst du auch gut auf Mom aufpassen?«
Brett nickte.
»Das mußt du auch.« Er musterte den Jungen. »Du bist verdammt groß geworden. Wahrscheinlich willst du dem Alten keinen Abschiedskuß geben.«
»Doch, Daddy«, sagte Brett. Er umarmte seinen Vater und küßte ihn auf die stoppelige Wange und roch sauren Schweiß und einen leichten Wodkageruch von gestern abend. Er war selbst überrascht, daß er seinen Vater so lieb hatte. Dieses Gefühl kam immer dann in ihm auf, wenn er es am wenigsten erwartete. Allerdings war es während der letzten zwei oder drei Jahre seltener geworden, was seine Mutter nicht wußte und ihm wohl auch nicht geglaubt hätte. Diese Liebe hatte nichts mit Joe Cambers täglichem Verhalten ihm oder seiner Mutter gegenüber zu tun. Es war eine nackte biologische Tatsache, ein Phänomen, das man ein Leben lang nicht abstreifte. Es war die Erinnerung an den Geruch von Zigarettenrauch, an einen Rasierapparat im Badezimmer und eine über den Stuhl gehängte Hose. Und die Erinnerung an gewisse Flüche.
Sein Vater drückte ihn an sich und wandte sich dann Charity zu. Er legte ihr einen Finger unter das Kinn und hob ihr Gesicht zu sich auf. In der Ladezone hinter dem flachen Ziegelgebäude ließ ein Busfahrer seinen Motor warmlaufen. Man hörte das gutturale Dröhnen des Dieselmotors. »Gute Reise«, sagte er.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie wischte sie rasch abi Es war eine fast wütende Geste. »Okay«, sagte sie.
Sofort nahm sein Gesicht wieder den gewohnten verschlossenen und unverbindlichen Ausdruck an. Es war, als ließe er das Visier herab. Er war wieder ganz der Mann vom Lande. »Wir müssen die Koffer verstauen, Junge«, sagte er. »In diesem hier muß Blei sein … Mein Gott!«
Er blieb, bis alle vier Gepäckstücke abgefertigt waren, und der herablassende Blick des Kontrolleurs entging ihm völlig. Er schaute zu, wie das Gepäck auf einen Wagen geladen und weggerollt wurde, um dann im Bus zu verschwinden. Dann drehte er sich zu Brett um.
»Komm mit nach draußen«, sagte er.
Charity sah die beiden gehen. Sie setzte sich auf eine der harten Bänke, öffnete ihre Handtasche und nahm ein Taschentuch heraus. Das sah ihm ähnlich. Ihr wünschte er eine gute Reise, und jetzt versuchte er, den Jungen zu überreden, mit ihm wieder nach Hause zu fahren.
Auf dem Fußsteig sagte Joe: »Ich will dir zwei Ratschläge geben, Junge. Wahrscheinlich wirst du keinen von ihnen befolgen, das tun Jungs
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