Cujo
kurz und schmerzlos. Nur Tad, der noch nicht begriff, wie kurz die Zukunft sein kann, weinte.
»Wirst du darüber nachdenken?« sagte Donna wieder, als er in den Jaguar stieg.
»Ja.«
Aber auf der Fahrt nach Bridgton, um Roger abzuholen, dachte er nur an jene beiden Augenblicke fast perfekter Kommunikation. Zwei solcher Augenblicke an einem Vormittag. Das war nicht schlecht. Dazu mußte man eben acht oder neun Jahre Zusammensein, grob gerechnet ein Viertel der Jahre, die er bisher auf dieser Erde verbracht hatte. Er dachte daran, wie lächerlich das gesamte System zwischenmenschlicher Kommunikation doch war, wenn es eines so monströsen Aufwands bedurfte, um so wenig zu erreichen. Und wenn man die Zeit investiert hatte und es endlich funktionierte, mußte man immer noch vorsichtig sein. Ja, er wollte darüber nachdenken. Sie hatten gemeinsam eine schöne Zeit verbracht, und obwohl einige Kanäle jetzt mit Gott weiß wieviel Dreck verstopft waren, standen andere doch noch zur Verfügung und schienen zu funktionieren.
Er mußte gründlich über alles nachdenken - aber das ging nicht so schnell. Und je mehr er sich darüber den Kopf zerbrach, um so größer schien ihm das Problem.
Er drehte das Radio lauter und dachte über den guten alten Cornflake-Professor von Sharp nach.
Joe Camber hielt um zehn Minuten vor acht vor dem Greyhound-Terminal in Portland. Der Nebel hatte sich aufgelöst und die digitale Temperaturanzeige oben auf der Casco Bank and Trust zeigte schon 23 Grad an.
Er hatte während der ganzen Fahrt den Hut aufbehalten. Ständig hatte er wütend darauf gewartet, daß ihn jemand schnitt oder vor ihm ausscherte. Er haßte es, in der Stadt zu fahren. Wenn er und Gary nach Boston fuhren, würde er den Wagen stehen lassen. Dort konnten sie die U-Bahn benutzen, wenn sie damit zurechtkamen. Sonst mußten sie eben laufen.
Charity hatte ihren besten Hosenanzug an - es war ein unaufdringliches Grün - und eine weiße Bluse mit Rüschen am Kragen. Sie trug Ohrringe, was Brett ein wenig erstaunte-Vorher hatte sie höchstens zum Kirchgang Ohrringe getragen.
Brett hatte sie allein erwischt, als sie nach oben ging, um sich anzuziehen, nachdem sie Joe seinen Haferbrei hingestellt hatte.
Joe hatte fast die ganze Zeit geschwiegen und Fragen nur einsilbig beantwortet. Zuletzt hatte-er das Radio eingeschaltet, um die Baseballergebnisse zu hören, und war überhaupt nicht mehr ansprechbar gewesen. Sie hatten beide Angst, daß seinem Schweigen ein fürchterlicher Ausbruch folgen und er die Reise im letzten Augenblick verbieten würde. Charity hatte die Hosen angezogen und schlüpfte gerade in ihre Bluse. Brett stellte erstaunt fest, daß sie einen pfirsichfarbenen BH trug. Er hatte gar nicht gewußt, daß sie andere als weiße Unterwäsche besaß.
»Ma«, sagte er aufgeregt.
Sie drehte sich zu ihm um, und es schien fast, als ob sie sich auf ihn stürzen wollte. »Hat er etwas gesagt?«
»Nein … nein. Es ist wegen Cujo.«
»Cujo? Was ist mit Cujo?«
»Er ist krank.«
»Was meinst du damit, krank?«
Brett berichtete, daß er hinausgegangen sei, nachdem er auf der Veranda seine Cocoa Bears gegessen hatte. Plötzlich sei Cujo aus dem Nebel aufgetaucht, mit roten, wildblickenden Augen und Schaum vor dem Maul.
»Und er ging auch nicht richtig«, beendete Brett seinen Bericht. »Es war eine Art… Taumeln. Ich glaube, ich muß es Daddy sagen.«
»Nein«, sagte seine Mutter böse und packte ihn so hart an den Schultern, daß es schmerzte. »Das wirst du nicht-tun!«
Er sah sie überrascht und ängstlich an. Sie lockerte ihren Griff und sprach leiser. »Du hast nur einen Schock bekommen, als er so aus dem Nebel kam. Wahrscheinlich fehlt ihm gar nichts. Okay?«
Brett versuchte die richtigen Worte zu finden, um ihr zu schildern, wie schlecht Cujo ausgesehen hatte und daß er einen Augenblick gefürchtet hatte, Cujo würde ihn anfallen. Aber er fan’d die Worte nicht. Vielleicht wollte er sie auch nicht finden.
»Wenn er etwas hat, ist es wahrscheinlich nur eine Kleinigkeit«, fuhr Charity fort. »Vielleicht hat er an einem Skunk geschnuppert …«
»Ich habe keinen Skunk gero …«
»… oder er hat ein Murmeltier oder ein Kaninchen gejagt. Unten im Sumpf hat er sich vielleicht sogar mit einem Elch angelegt. Oder er hat Nesseln gefressen.«
»Das könnte sein«, sagte Brett zweifelnd.
»Auf so etwas wartet dein Vater nur«, sagte sie. »Ich höre ihn schon: ›Er ist krank, was? Es ist dein Hund, Brett. Dann
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