Cujo
Kehlkopf (Das hatte ihr Vater ihr schon eingeschärft: Anhalten, Fenster hochdrehen, Bremse feststellen, Schlüssel abziehen, Wagen abschließen.), und ihr Blut würde, am Lenkrad, am Armaturenbrett und an der Windschutzscheibe kleben. Und diese eine Handlung hatte das verhindert. Eine Handlung, die so automatisch erfolgt war, daß sie sich nicht einmal daran erinnern konnte.
Sie schrie.
Das gräßliche Hundegesicht verschwand von ihrem Fenster.
Sie dachte an Tad und drehte sich zu ihm um. Als sie ihn ansah, wurde sie von neuer Angst gepackt. Er war nicht in Ohnmacht gefallen, aber er war auch nicht richtig bei Bewußt-sein. Er war nach hinten gegen die Sitzlehne gesunken, und seine Augen blickten ins Leere. Sein Gesicht war kalkweiß, und seine Lippen waren an den Mundwinkeln blau angelaufen.
»Tad!« Sie schnippte mit den Fingern vor seiner Nase, und er blinzelte träge bei dem schnalzenden Geräusch. »Tad!«
»Mommy«, sagte er mit belegter Stimme. »Wie ist das Ungeheuer aus meinem Schrank gekommen? Ist das ein Traum? Schlafe ich?«
»Es wird alles wieder gut«, sagte sie, aber sie war dennoch verstört von dem, was er über den Schrank gesagt hatte. »Es ist …«
Sie sah den Schwanz des Hundes und seinen breiten Rücken hinter der Haube des Wagens. Er ging zu Tads Seite hinüber -
Und Tads Fenster war nicht geschlossen. Sie hechtete über Tad hinweg und bewegte sich so verkrampft, daß sie ihre Finger an der Fensterkurbel aufschlug. Sie drehte, so schnell sie konnte, und fühlte Tad unter sich zappeln.
Das Fenster war schon fast oben, als Cujo gegen die Scheibe sprang. Sein Maul fuhr in den noch offenen Spalt und wurde durch die Scheibe nach oben gedrückt. Sein lautes Gebell füllte den kleinen Wagen. Wieder schrie Tad und hielt die Arme vor die Augen.
Er versteckte seinen Kopf auf Donnas Schoß und behinderte sie beim Drehen.
Momma! Momma! Mornma! Mach, daß er aufhört! Mach, daß er weggeht!
Etwas Warmes lief ihr über den Handrücken. Mit steigendem Entsetzen sah sie, daß es eine Mischung aus Schleim und Blut war, die aus dem Maul des Hundes kam. Mit aller Kraft schaffte sie noch eine viertel Umdrehung … dann zog Cujo seine Schnauze aus dem Spalt. Sie sah noch kurz sein Gesicht, verzerrt und böse, die wahnsinnige Karikatur eines gutmütigen Bernhardiners. Dann ließ er sich auf alle viere fallen, und sie sah nur noch seinen Rücken.
Jetzt ließ sich die Kurbel leicht drehen. Sie schloß das Fenster ganz und wischte sich den Handrücken an ihren Jeans ab. Dabei stieß sie leise, nervöse Schreie aus.
(o du Heilige Mutter Gottes)
Tad befand sich wieder in diesem betäubten Zustand halber Bewußtlosigkeit. Als sie diesmal wieder vor seinem Gesicht mit den Fingern schnippte, zeigte er keine Reaktion.
O, Gott, davon wird er Komplexe bekommen. Bestimmt. Oh, mein keiner Tad, hätte ich dich nur bei Debbie zu Hause gelassen.
Sie nahm ihn bei den Schultern und schüttelte ihn leicht hin und her.
»Schlafe ich?« fragte er wieder.
»Nein«, sagte sie. Er stöhnte - ein leises, schmerzliches Geräusch, das ihr ans Herz griff. »Nein, aber es ist alles in Ordnung. Tad? Es ist okay. Der Hund kann nicht reinkommen. Die Fenster sind zu. Er kann nicht reinkommen. Er kann uns nicht kriegen.«
Das verstand Tad, und seine Augen wurden ein wenig klarer. »Dann laß uns nach Hause fahren, Mommy. Ich will hier nicht bleiben.«
»Ja. Ja, wir werden …«
Wie ein großes gelbbraunes Projektil sprang Cujo auf die Motorhaube des Wagens und auf die Windschutzscheibe zu. Tad stieß noch einen Schrei aus. Seine Augen traten aus den Höhlen, und mit seinen kleinen Händen griff er sich so heftig an die Wangen, daß kleine rote Stellen zurückblieben.
»Er kann uns nicht kriegen!« schrie Donna ihn an. »Hörst du mich? Er kann nicht in den Wagen rein, Tad!«
Cujo schlug mit einem dumpfen Laut gegen die Windschutzscheibe und prallte zurück. Kratzend suchte er auf der Motorhaube Halt. Dann sprang er ein zweites Mal.
»Ich will nach Hause!« schrie Tad.
»Halt dich an mir fest, Tadder, und mach dir keine Sorgen.«
Wie verrückt sich das anhörte … aber was hätte sie sonst sagen sollen?
Tad preßte das Gesicht an ihre Brust, als Cujo wieder gegen die Windschutzscheibe schlug. Geifer verschmierte das Glas, als er versuchte hineinzubeißen. Mit seinen trüben Augen sah er Donna an. Ich werde dich in Stücke reißen, sagten diese Augen. Dich und auch den Jungen. Sobald ich weiß, wie ich in diese Blechdose
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