Cupido #1
zitterte am ganzen Leib, als die Erinnerungen in ihrem Kopf zu tanzen begannen wie die Gespenster zur Geisterstunde. Das Gesicht am Fußende ihres Betts, wie es im grellen Licht der Blitze fahl aufleuchtete, das Zischen seines Atems durch den Schlitz im Gummi. Sie spürte wieder die behandschuhten Hände auf ihrer Haut, das Kratzen des Nylonhaars an ihren Beinen, ihrem Bauch. Sie roch den Latex und den kalten Kaffeeatem und schmeckte die trockene Seide ihres Slips, und wieder würgte es sie. Nach ein paar qualvollen Sekunden streckte sie die Hand aus, diesmal war sie es, die Gummihandschuhe trug. Sie packte die Maske mit spitzen Fingern am Nylonhaar und hielt sie weit von sich entfernt wie einen Tierkadaver. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Sie nahm die Maske und stopfte sie in eine schwarze Plastiktüte, dann schloss sie den Deckel der Plastikbox.
Der letzte Posten im Karton 161C war eine durchsichtige Plastiktüte mit einem weißen Etikett. FDLE 161C, 12: Schmuck, divers – Schlafzimmerkommode, Schublade oben links. Sie legte die Tüte flach hin, sodass sie den Inhalt sehen konnte. Eine Uhr. Ein goldener Armreif. Ein goldenes Armband. Ketten. Manschettenknöpfe. Ein Herrenring mit einem schwarzen Onyx. Verschiedene einzelne Ohrringe.
Und dann fand sie, wonach sie suchte. Der goldene Anhänger mit den zwei Herzen und dem Diamanten, den Michael ihr vor zwölf Jahren zum Jahrestag geschenkt hatte. Eine Träne rollte ihr über die Wange, doch sie wischte sie fort. Überaus vorsichtig löste sie das rote Klebeband, das die Tüte mit dem Schmuck versiegelte, ohne die Initialen C. M. zu beschädigen. Wahrscheinlich war es Chris Masterson, der den Schmuck verpackt hatte. C. J. nahm den Anhänger heraus, befühlte ihn mit den Fingerspitzen, genauso wie damals, an jenem Abend. Sie dachte an Michaels Worte. Ich habe ihn extra für dich anfertigen lassen. Gefällt er dir?
Ein Unikat – und damit das Einzige, das sie unanfechtbar mit Bantling in Verbindung brachte. Wieder tanzten die Geister, zerrten und zogen an ihr. Das Messer fiel ihr ein, das ihr wütend den Anhänger vom Hals gerissen hatte. Den säuerlichen Atem, der immer heftiger und schneller wurde. Nur nicht durchdrehen! Nur nicht in der Flut der Erinnerungen untergehen. Schon beim letzten Mal hatte es viel zu lange gedauert, bis sie wieder aufgetaucht war.
Der restliche Schmuck stammte vermutlich von Bantlings anderen Opfern: vielleicht von der Kellnerin aus Hollywood oder der Studentin aus Los Angeles oder der Krankenschwester in Chicago. Andenken, Trophäen von jeder Eroberung. Wie oft hatte sich Bantling den Anhänger angesehen und an sie gedacht? Sich an Chloe erinnert, an das Mädchen, das sie damals gewesen war? Wie oft hatte er sich an dem Gedanken, wie sie langsam auf ihrem Bett verblutete, aufgegeilt? Sie warf den Anhänger in die schwarze Tüte zu der Maske, und dann stopfte sie die Tüte in ihre Handtasche. Sorgfältig verklebte sie die Tüte mit dem Schmuck und legte sie zurück in den Karton. Sie hatte gefunden, weswegen sie gekommen war. Jetzt war der Spielstand wieder ausgeglichen. Sein Wort würde gegen ihres stehen. Und sie wusste, dass sie dieses Match gewinnen würde.
Doch sie hatte sich strafbar gemacht, war zur Kriminellen geworden. Jetzt war sie eine von den Bösen.
Noch ein kleines Opfer für einen höheren Zweck.
53.
Sie hatte gerade die Aktentasche geschlossen, als plötzlich die Tür aufging. C. J. zuckte zusammen. Dominick stand in der Tür und sah sie forschend an.
«Was machst du denn hier?», fragte er. «Ich wollte nur mein Laptop holen und habe vom Parkplatz das Licht gesehen. Ich dachte, es ist vielleicht Manny.»
«Du hast mir vielleicht einen Schreck eingejagt. Ich habe dich nicht kommen hören», sagte sie und drückte die Hand ans Herz.
«Tut mir Leid. Das wollte ich nicht. Du bist ja ganz blass.»
«Chris hat mich reingelassen. Ich musste mir die Beweisstücke ansehen. Am Freitag habe ich doch die Ehre, Gracker und das FBI hier durchführen zu dürfen. Ich hatte keine Lust auf irgendwelche Überraschungen», sagte sie schnell.
«Pass bloß auf Gracker auf. Am Ende lässt er noch was mitgehen, wenn du nicht hinsiehst.» Dominick sah sich um. «Wo steckt Chris denn jetzt?»
«Er hatte noch ein Verhör.»
«Wo? Oben?»
«Nein, in der Stadt, glaube ich.»
Sie sah Dominick den Ärger an. «Er hätte dich nicht allein lassen dürfen. Er muss die Sachen in der Asservatenkammer ein– und
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