Cupido #1
heute.
Sie hatte sich mit den Schwächen des Systems arrangiert, indem sie das Public Defense Office verließ und ihre eigene Kanzlei eröffnete. Nicht genug, dass sie eine Frau war, ihre Familie stammte auch noch aus Kuba. Also hatte sie jahrelang kämpfen müssen, um sich in einer Welt einen Namen zu machen, in der es fast nur Männer gab, ihre Mandanten eingeschlossen. Nach acht harten Jahren hatte sie es dann geschafft; sie konnte sich mit den Erfolgreichsten von ihnen messen. Sie war ganz oben, gehörte zu den bestbezahlten und respektiertesten Strafverteidigern in Miami. Doch jetzt betrachtete sie ihr Diplom mit Abscheu statt mit Stolz. Dachte an ihren Mandanten mit Hass statt mit Anteilnahme.
Wann hatte sie sich von dem System korrumpieren lassen, das sie hasste, gegen das sie angeblich seit Jahren kämpfte, Tag für Tag? Wie hatte sie zulassen können, dass sie ein Opfer mit seinem Vergewaltiger konfrontierte, der sein Verbrechen als legales Mittel einsetzte, um seine Freiheit zu erreichen? Natürlich, um zu gewinnen, musste man manchmal knallhart sein, egal, was es kostete. Sie wusste, dass Bantlings Anschuldigungen den Fall schnell zu Ende bringen könnten. Es wäre ein schneller Sieg.
Sie räumte die Akten zusammen, um sich auf den Heimweg zu machen. Sie würde ihrer alten Mutter ein Abendessen kochen und sich vielleicht einen Film im Fernsehen ansehen. Doch dann hielt sie plötzlich inne und legte den Kopf in die Hände.
Heute hatte sie den Sieg mit Gerechtigkeit verwechselt, und sie bereute es tief.
55.
Chloe Larson. Die scharfe kleine Jurastudentin aus Queens war erwachsen geworden und spielte Staatsanwältin. Junge, die Zeit hatte ihr schwer zugesetzt. Er hatte sie fast nicht wiedererkannt mit dem straßenköterbraunen Haar und den spießigen Klamotten, die viel zu viel von ihrem einst so knackigen Arsch und den kecken Titten verdeckten. Aber dieses Gesicht. Ein Gesicht vergaß er nie. Vor allem nicht eins wie Chloes. Deswegen hatte er sie sich ja damals ausgesucht. Sie war nicht einfach nur hübsch – sie war eine Schönheit.
Und jetzt hatte er sie wieder. Nach zwölf Jahren hatte er sie gefunden – glücklich vereint. Ihre Miene, als seine Anwältin ihr die Neuigkeiten eröffnete, war umwerfend gewesen. Einfach umwerfend. Schock. Dann Angst. Und schließlich Grauen. Er hatte sie erwischt. Ihr Fänger hatte sie wieder erwischt. Jetzt musste sie ihm in die Augen sehen und zugeben, dass sie am Ende war. Sie hatte wieder gegen ihn verloren.
Mit dem Umschlag seines Notizblocks säuberte er sich die Zahnzwischenräume. Er saß in seiner Zelle auf der nach altem Fisch und Pisse stinkenden Pritsche.
Halten Sie den Mund und setzen Sie sich. Seine nutzlose Verteidigerin hatte ihn tatsächlich angeschrien. Halten Sie den Mund und setzen Sie sich. Für wen zum Teufel hielt die sich? Er musste ihre Rolle in dem Ganzen überdenken. Ursprünglich hatte er sie für die richtige Wahl gehalten, aber jetzt ... Andererseits hatte sie ihm den Polizeibericht aus New York besorgt, und der war eine wunderbare Bettlektüre gewesen. Schwarz auf weiß zu sehen, was er getan hatte, aus dem Blickwinkel von Dritten. Vor allem diese strunzdummen Cops vom NYPD, die ihren Arsch nicht vom Gesicht unterscheiden konnten. Ein ziemlich anregender Zeitvertreib. Und dann hatte Lourdes ihm mit ihren Anträgen und Einsprüchen geholfen, der Frau Staatsanwältin den Schock ihres Lebens zu versetzen. Aber jetzt behauptete diese blöde Kuh von Verteidigerin auf einmal, sie könne den Antrag noch nicht einreichen, sie müsse noch recherchieren. Und er fragte sich langsam, ob sie mit den großen Jungs in der Ersten Liga mithalten konnte.
Lassen Sie mich das machen. Sie würden ja zugeben, dass Sie ein brutaler, Messer schwingender Vergewaltiger sind. Wenn Sie einfach sagen: «Ich habe es damals getan, aber heute war ich es nicht», und Ihr Opfer, die Anklägerin, beschuldigen, müssen Sie sich doch über eins im Klaren sein, Bill — jeder wird Sie dann für schuldig halten und noch mehr hassen, und sie wird man bemitleiden. Es ist eine sehr delikate Situation, und wir können nicht einfach mit solchen Behauptungen um uns werfen. Sie streitet alles ab, und, ehrlich gesagt, hat Ihr Wort vor Gericht nicht das geringste Gewicht – nicht gegen das der Staatsanwältin. Sie brauchen Beweise.
Die Beweise könnt ihr haben. Auch wenn ich mich nur äußerst ungern davon trenne.
Ausbrüche wie der von heute werden Ihnen weiß Gott
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