Cupido #1
und Waffenlager westlich von Florida City, das der U.S. Navy gehörte. Als die Trainingseinheit bei einer Razzia–Übung die Metalltür des Silos auftrat, schlug den Beamten der unverwechselbare Gestank nach Verwesung entgegen. In einer Ecke der verlassenen Anlage hatte jemand eine Fläche von zwei mal zwei Metern mit ein paar alten Laken und Decken abgetrennt, die mit Hilfe einer straff gespannten Nylonschnur ein behelfsmäßiges Zelt bildeten. Zuerst dachten die Beamten, es handelte sich um das Lager eines Obdachlosen, oder vielleicht waren Kinder in das alte Gebäude eingebrochen und hatten sich ein Fort gebaut; der Gestank kam wohl von einem toten Tier. Bis sie die Decken zurückzogen und die Überreste des ehemaligen Fotomodels entdeckten.
Marilyns nackter Körper war auf den schmutzigen Zementboden gesetzt worden, der Kopf lehnte unnatürlich aufrecht an einem rostigen Ölfass. Ihr langes, aschblondes Haar war zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden, den der Täter mit Klebeband am Deckel der Tonne festgeklebt hatte, sodass ihr Kopf mit durchgestrecktem Hals nach oben gezerrt wurde. Mund und Augen standen offen. Der Großteil der Haut an ihrem Körper faulte und schlug in der Hitze Blasen, zum Teil fiel die Haut ab und entblößte verwesendes Gewebe und Muskelfasern. Die Beine waren aus der Hüfte ausgerenkt und weit gespreizt, in einen grotesken Spagat gezwungen, die Arme hingen nach unten, die Knochen, die von den Fingern übrig geblieben waren, steckten in der Scham. Und wie bei allen Opfern hatte Cupido seine Unterschrift hinterlassen. Die Brust war aufgeschnitten, und dort, wo das Brustbein aufgebrochen war, gähnte ein Loch. Die große Menge Blut auf dem Zement unter ihrem Körper und das Muster der Blutspritzer an den Laken sprachen dafür, dass sie an Ort und Stelle getötet worden war. Als Todesursache wurde die Durchtrennung der Aorta und die Entfernung des Herzmuskels festgestellt. Der Gerichtsmediziner konnte nicht sagen, ob Marilyn bei Bewusstsein gewesen war, aber auf jeden Fall hatte sie noch gelebt, als man ihr das Herz aus der Brust schnitt.
Sie war an einem Freitagabend vor etwa zwei Monaten aus dem Liquid Club in South Beach verschwunden. Die vier Freunde, mit denen sie den überfüllten Nachtclub besucht hatte, hatten ausgesagt, sie habe sich nur an der Bar einen Drink holen wollen, doch sie kam nie zurück. Ihre Clique war davon ausgegangen, dass sie jemanden kennen gelernt hatte, mit dem sie dann gegangen war, und so wurde Marilyn erst zwei Tage später bei der Polizei von Miami Beach als vermisst gemeldet, als sie in dem Restaurant, in dem sie nebenher kellnerte, nicht zu ihrer Schicht erschien. Das Foto, das ihre Eltern der Polizei gegeben hatten, stammte von ihrem letzten Shooting für einen Gebrauchtwarenhändler in den Keys, gerade mal zwei Tage vor ihrem Verschwinden.
Die Spurenermittlung würde die nächsten fünf Tage damit verbringen, jeden Zentimeter des Silos, des Lagers und der Umgebung umzudrehen, doch Dominick machte sich keine allzu großen Hoffnungen. Falls dieser Fundort auch nur ansatzweise den anderen acht Fundorten ähnelte, gäbe es keine Fußabdrücke, kein Sperma, keine Haare, keine fremde DNA, nichts. Das forensische Team des FDLE aus Key West und die Spurenermittlung des MDPD hatten die letzten achtundvierzig Stunden damit verbracht, die unmittelbare Umgebung nach Reifenabdrücken, Fußspuren, Zigarettenkippen, Kleidern oder irgendwelchen Waffen abzusuchen – ohne Erfolg. Der ehemalige Militärkomplex befand sich in einem Ausläufer der Everglades, weitab von jeder befahrbaren Straße und möglichen Zeugen. Die nächste Tankstelle war fast zehn Kilometer entfernt. Das Gelände war nur mit einem Maschendrahtzaun gesichert und zahlreichen Schildern, die den Zutritt untersagten; am Tor hing ein Vorhängeschloss, das sogar ein zweijähriges Kind hätte knacken können.
Das Ganze war so verdammt frustrierend. Nach acht Monaten Sonderkommission waren sie dem Mörder noch kein bisschen näher gekommen. Oder den Mördern. Und die Frequenz der Fälle beschleunigte sich. Die alarmierende Gewalt, die jedem Körper angetan wurde, wurde immer extremer – und dabei blieb das Vorge–hen des Killers weiterhin seltsam systematisch und kontrolliert. Aber er wurde immer abgebrühter, immer selbstsicherer. Er forderte die Polizei heraus. Manche Opfer hatte er am Fundort getötet, andere hatte er erst gefoltert und ermordet und die Leichen dann erst an den Ort gebracht und
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