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Cupido #1

Cupido #1

Titel: Cupido #1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Sie hatte ihren Mantel vergessen, und der kalte Herbstwind fegte durch ihre Kleider. Mit Tempo 120 raste sie über den Grand Central Parkway nach Hause, hektisch blickte sie immer wieder in den Rückspiegel in der Erwartung, dass aus dem Auto hinter ihr das Clownsgesicht sie angrinsen und augenzwinkernd aufblenden würde.
    Sie stieg aus dem Wagen und flog zum Fahrstuhl, vorbei an dem Wachmann, der friedlich in der Lobby schlief. In ihrer Wohnung knipste sie alle Lichter an, machte die Alarmanlage scharf und verriegelte alle Schlösser der Wohnungstür.
    Chloe packte eine Angst, wie sie sie noch nie erlebt hatte, sie zitterte unkontrollierbar am ganzen Körper. Voller Panik raste sie durch ihre Zimmer, öffnete jeden Schrank, sah unter dem Bett nach, hinter dem Duschvorhang. Sie holte die kleine Pistole Kaliber .22 aus der Nachttischschublade, die ihr Vater ihr vor seiner Rückkehr nach Kalifornien gekauft hatte. Sorgfältig sah sie zweimal nach, ob die Waffe auch wirklich geladen war.
    Im Wohnzimmer blinkten das rote Licht des Bewegungsmelders und das grüne Licht der Alarmanlage.
    Chloe saß auf der Couch und hielt die Pistole in der schweißnassen Hand, in tödlicher Umklammerung, ihr Zeigefinger spielte nervös mit dem Abzug. Kater Tibby kroch unter ihren Arm und schmiegte sich schnurrend an sie. Die Sonne ging auf, und gelbes Licht kroch durch die Ritzen der zugezogenen Vorhänge. Der Wettermann hatte gesagt, vor ihnen liege ein wunderschöner Tag. Chloe starrte die weiße Wohnungstür an und wartete.
    Die Fassade war zersprungen. In eine Million Splitter.

 
     
     
     
     
ZWEITER TEIL

15.
     
     
    September 2000
     
    Die einst so hübschen Gesichter starrten ihn jetzt mit toten, leeren Blicken an. Meergrüne und rauchig veilchenblaue leblose Augen blickten trüb ins Nichts, die langen Wimpern manchmal noch schwarz getuscht. Augen, deren letzter Anblick unfassbares Grauen gewesen war. Geschminkte Münder, die jetzt nur noch verzerrte schwarze Löcher waren. Erstarrt in einem ewigen stummen Schrei.
    Dominick Falconetti, Special Agent des Florida Department of Law Enforcement, saß allein in der Zentrale der Sonderkommission und betrachtete die Fotomontage an der Wand. Den Kopf auf die Hände gestützt, rieb er sich mit den Zeigefingern sanft die Schläfen, die unter dem stetig wachsenden Druck schmerzhaft pochten. Polizeiberichte, grüne Folder mit Ermittlungsberichten, Zeitungsausschnitte und Verhörprotokolle waren über die ganze Länge des Konferenztischs verstreut. Eine Zigarette brannte irgendwo neben einem alten Starbucks–Becher und einer leeren Burger–King–Tüte. Im Hintergrund, in einer Ecke des voll gestopften Raums, zeigte ein Fernsehbildschirm Schneegestöber, nachdem die Kassette mit dem grausigen Video zu Ende war. Gleißende Neonröhren an der Decke beleuchteten die fünf neuen grob gerasterten Fotos, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Eine Neue für die «Mauer».
    Die Familien der elf vermissten jungen Frauen waren jeweils gebeten worden, ein aktuelles Foto der Mädchen für die Identifizierung abzuliefern. Bilder von Abschlussbällen, von Schul– und College–Festen, Jahrbuchfotos und Bewerbungsfotos lächelten von der braunen Korkwand herunter, die von den Mitgliedern der Sonderkommission düster «die Mauer» genannt wurde. Meistens wurden mehr Fotos als nötig abgeliefert, drei, fünf, in einem Fall sogar zehn. Aus siebzehnjähriger Erfahrung bei der Mordkommission wusste Dominick, dass es unmenschlich war, jemanden als Zusammenfassung des ganzen Lebens seines Kindes oder seiner Schwester nur ein einziges Bild auswählen zu lassen. Es wäre fast schon zynisch, so etwas zu verlangen. Also landeten jeweils die hilfreichsten Fotos jedes Mädchens an der «Mauer», und die restlichen wurden schweigend zu den Akten gelegt. Die hübschen Gesichter waren in chronologischer Reihenfolge an die Korkwand gepinnt, vom Datum ihres Verschwindens ausgehend, nicht demjenigen, an dem ihre Leichen schließlich entdeckt worden waren.
    Unterhalb der fröhlichen Schnappschüsse hingen, in verstörendem Kontrast, die Bilder der nackten und gebrochenen Körper von neun der vermissten Frauen, die allerletzten Fotos, die je von ihnen gemacht werden würden. Neonfarbene Reißzwecken hielten die Collagen aus jeweils fünf Fotos von Tatort und Autopsie an der Korkwand, die inzwischen fast die gesamte Länge des Konferenzraums einnahm. Ein gespenstisches Album von Vorher– und Nachher–Bildern.
    Eingezwängt

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