Cupido #1
vom FBI in Miami war Mark Gracker. Er und Dominick waren schon einmal aneinander geraten, lange vor dem Cupido–Fall. Es ging um einen Mord im organisierten Verbrechen. Gracker und seine Bundeskollegen hatten ihm den Fall weggenommen – bequemerweise, nachdem Dominick ihn gelöst und den Verdächtigen identifiziert hatte. Eine Minute, nachdem er beim Kriegsrat der großen Häuptlinge von FBI und FD LE den Namen des Verdächtigen hinter einer verschlossenen Tür geflüstert hatte, musste Dominick fassungslos in den Nachrichten zusehen, wie Gracker dem Typen Handschellen umlegte und gleichzeitig Julia Yarborough von Channel 6 ein Interview gab. Zehn Tage später beförderte das FBI Gracker zum Special Agent in Charge von Miami.
Die Beamten vom Bureau versuchten sich immer genau dann einzuschalten, wenn sie am Ende als Helden dastehen konnten. Seit Waco und Ruby Ridge mussten sie dringend ihr Image aufpolieren. Aber Marilyn Sibans Leiche war auf Bundesgebiet gefunden worden, damit fiel ihr Fall unter Bundesrecht, und deshalb konnte Dominick Gracker schlecht sagen, dass er sich verpissen solle. Er warf einen Blick in den Kofferraum. «Ist das Mädchen identifiziert?»
«Es ist Anna Prado, die kleine Biene, die aus dem Level verschwunden ist. Sie ist erst seit ein paar Wochen vermisst. Die Leiche ist jedenfalls noch ziemlich fit. Kann nicht länger als einen Tag oder so tot sein. Was für ein Jammer, Mann. Eine echte Schönheit.»
Dominick zog sich die Gummihandschuhe über und hob das weiße Laken an. Noch ein Paar leere tote Augen, das ihn hilflos anstarrte. Diesmal babyblau.
«Hat sie jemand bewegt? Angefasst?»
«Nope. Du kriegst, was du siehst. Die Blues Brothers haben mal reingelinst, aber sie nicht angerührt. Ich hab den Babysitter gespielt. Nur gucken, Freunde, und seid nett zu den Kollegen! Die Spurenermittlung hat schon mal alles fotografiert. Damit sind sie vor ungefähr zehn Minuten fertig geworden.»
Anna Prados nackter Körper lag auf dem Rücken, die Knie waren angewinkelt, die Unterschenkel nach hinten geknickt. Die Arme waren über dem Kopf mit Nylonschnur gefesselt. Darunter breitete sich das lange, platinblonde Haar aus. Die Brust war mit zwei Schnitten geöffnet, die ein Kreuz bildeten, das Sternum sauber aufgebrochen. Das Herz fehlte. Unter der Leiche hatte sich Blut gesammelt, aber nicht besonders viel, offensichtlich war sie woanders getötet worden.
«Wahrscheinlich wollte er sie gerade an ein einsames Plätzchen bringen und dort noch ein bisschen mit ihr spielen. Dann hätten wir in ein paar Monaten als Weihnachtsgeschenk ein Skelett gefunden, das es mit einem Abflussrohr treibt, oder so was. Falls du es noch nicht gewusst hast, Dom, die Welt ist voller kranker Arschlöcher.» Er stand auf und zündete sich noch eine Zigarette an. Dann grinste er zu einem langsam vorbeifahrenden Wagen hinüber und zeigte ihm den Mittelfinger. «Wie dieses Geschmeiß da, das unbedingt was wirklich Übles sehen will.»
«Sie sieht frisch aus, Manny.» Dominick berührte ihren Arm. Fleisch und Muskeln bewegten sich, die Haut war kalt. Die Totenstarre war eingetreten und hatte wieder nachgelassen, doch nicht vor allzu langer Zeit. Er schätzte, sie war erst seit einem Tag tot. Er trat einen Schritt zurück. Unter dem Schuh hörte er ein leises Knirschen. Er bückte sich und hob etwas auf, das wie der Splitter eines Rücklichts aussah. Er steckte ihn in die Hosentasche. «Womit haben sie den Kofferraum aufgebrochen?»
«Ich glaube, mit einem Brecheisen. Piedmont vom Beach Department war der Einzige, der den Kofferraum angefasst hat, nachdem er offen war. Die Spurensuche wird sich drüber hermachen, sobald die Leiche bei der Gerichtsmedizin ist. Ich wollte nur, dass du den Fundort siehst, bevor es weitergeht.»
«Wer ist dieser Bantling? Hat er eine Akte?» Dominick sah sich nach dem Streifenwagen um, der drei Meter entfernt stand. Die Gestalt auf der Rückbank saß aufrecht und unbeweglich da. In der Dunkelheit konnte er das Gesicht nicht erkennen.
«Fehlanzeige. Wir haben seinen Namen durch den Computer gejagt. Nichts. Ich habe Jannie angerufen, die Psychotante, und während wir hier sprechen, ist sie gerade dabei, sein schmutziges kleines Leben auseinander zu nehmen, vom ersten Mal, als er sich in die Windeln geschissen hat, bis zum letzten Mal, dass er pinkeln war. Morgen beim Frühstück wissen wir mehr.»
«Was macht er? Wo ist er her? Ich habe noch nie was von ihm gehört. Er tauchte auf keiner
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