Curia
Bewegung.
Vor dem Hintergrund der Ägäis zeichnete sich auf halber Höhe eines dicht bewaldeten Hanges das Kloster Filotheou ab. Der Monsignore blickte zu den Kuppeln über dem mittelalterlichen Gebäude auf. Die Außenmauern endeten in vorspringenden Strebemauern, auf denen sich Balkone und Zellen mit verriegelten Fenstern abwechselten. Oye . Im Vergleich dazu waren die mittelalterlichen Klöster Galiciens ein Paradies.
»Wann schließt das Tor?«, fragte Guzman zum Fahrer vorgebeugt.
»Alle Klöster von Agion Oros schließen bei Sonnenuntergang, wenn es zur Vesper läutet, und werden bei Sonnenaufgang wieder geöffnet.«
»Wann wird es Tag?«
»Um diese Jahreszeit gegen Viertel nach fünf.«
Der Kleinbus hielt unter dem Portikus des Klosters. Sie stiegen aus und schritten durch das Eingangstor. Ein bärtiger Mönch mit langer schwarzer Kutte kam ihnen entgegen. Er sei der Bruder Kustos, sagte er und bat sie, ihm in das archontariki zu folgen, das Gästehaus.
Sie gingen über den Innenhof. Der Bruder Kustos gab ihnen ein paar Informationen über das katholikon , die Kirche, ein rotes Gebäude im byzantinischen Stil mit weißen Bögen, das in der Mitte des Hofes stand. Der Blick des Monsignore fiel auf ein zweistöckiges Gebäude links neben der Kirche mit einer Fassade aus massiven Steinen. Er betrachtete den Portikus am Eingang und die Eisengitter vor den Bogenfenstern im ersten Stock und blickte dann hinauf zur Loggia, die vor den Fenstertüren des zweiten Stocks entlanglief.
»Nach den Fotos müsste dies die Bibliothek sein«, flüsterte der Monsignore Al Kaddafi zu.
»Das ist sie.«
Im ebenerdigen Gemeinschaftsraum des archontariki erwartete sie ein Mönch, der an Rasputin erinnerte.
»Willkommen in Filotheou. Ich bin Pater Kristophoros, der archontaris . Bitte bedienen Sie sich«, begrüßte sie der Mönch in fließendem Englisch, während er auf einen Tisch wies, wo zur Begrüßung eine Erfrischung angerichtet war.
Der Monsignore schlang fünf Loukoumi herunter, dazu trank er zwei Gläser Tsipouro und einen Kaffee. Gerade wollte er noch ein Stück Honigkuchen nehmen, als er den Blick von Pater Kristophoros spürte. Er zog die Hand zurück. Der Mönch rief ihre Namen auf.
Der Mann mit den aschblonden Haaren, der auf dem Boot gewesen war, hieß Erik Clausen. Der archontaris bat sie, sich ins Gästebuch einzutragen, und führte sie über eine Steintreppe in den ersten Stock hinauf, wo er ihnen die Schlafräume zeigte.
Guzman und dem Saudi wurde ein Achterzimmer zugewiesen. Auf den Stühlen vor den Betten stapelten sich Laken, Decken, ein Kissen und ein Handtuch. Sie legten ihre Reisesäcke auf zwei nebeneinanderstehende Betten. Clausen betastete die Matratze des Bettes am Fenster und ließ seinen Rucksack darauffallen.
Pater Kristophoros öffnete eine Tür und trat mit den Worten beiseite, dies seien die » facilities «. Der Monsignore spähte über die Schwelle. Die Toiletten waren Stehklos, von einer Dusche keine Spur, und die Waschbecken hatten keine Spiegel.
»Verglichen hiermit, sind die Gefängnisse in Riad das reinste Hilton«, sagte Al Kaddafi.
»Gibt es eine Beleuchtung?«, fragte ein Pilger mit englischem Akzent. »Ich bin prostataleidend und muss nachts viermal auf die Toilette.«
»Mein Gehilfe wird Kerzen auf die Nachttische stellen«, sagte Pater Kristophoros.
»Verfügt das Kloster nicht über elektrischen Strom?«
»Filotheou ist eines der wenigen Klöster ohne Strom. Wir haben unseren eigenen Generator, den wir nach dem apodeipnon , den Gebeten der Komplet, abstellen. Aber wir haben ohnehin nur wenige Räume an den Strom angeschlossen. Für die Zellen der archontariki gibt es keinen.« Pater Kristophoros warf dem Pilger einen strengen Blick zu. »Die Nacht ist zum Schlafen da, Bruder. Und zum Beten.«
»Wann endet die Komplet?«, fragte der Monsignore.
»Um einundzwanzig Uhr.«
Um neun wird das Kloster also in schwärzester Nacht versinken, dachte Guzman, während sein Blick den von Al Kaddafi kreuzte.
»Das Leben in Filotheou wird von der byzantinischen Uhrzeit geregelt, die auf dem julianischen Kalender basiert«, erklärte Pater Kristophoros. »Das bedeutet, dass der Sonnenuntergang auf Mitternacht fällt.«
Doch um die Dinge zu vereinfachen, würde er ihnen die Uhrzeiten des Tagesablaufs nach dem gregorianischen Kalender erklären.
»Wenn ich recht verstanden habe«, sagte der Monsignore, »steht ihr also um drei Uhr auf, geht in die Kirche und bleibt dort bis
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