Curia
Carabinieri und Fotografen liefen auf dem Kirchplatz hin und her. Der Amtsarzt gab zwei Sanitätern ein Zeichen, näher zu kommen. Sie luden Santis Körper auf eine Bahre und bedeckten ihn mit einem grünen Tuch. Dann trugen sie ihn die Treppe hinunter zu einem Krankenwagen.
Das Hauptportal des Doms öffnete sich, und die kleine Schar strömte ins Innere. Die Fotografen drängten sich um die Intarsie von Hermes Trismegistos, ihre Blitzlichter flammten auf.
»Commissario«, fragte ein Polizist einen Mann in Zivil, »was war in diesem Loch? Was haben sie gestohlen?«
»Tut mir leid. Dazu kann ich nichts sagen.«
Kowalski bahnte sich einen Weg durch die Journalisten und blieb vor der roten Absperrkordel um die Intarsie stehen. Das Bild war mit Werkzeugen, Marmorsplittern und Mörtelbrocken übersät. Der Kommissar kniete nieder und richtete eine Lampe auf das Loch, das dort klaffte, wo sich das Buch von Hermes Trismegistos befunden hatte. Er sprach angeregt mit dem Priester, der neben ihm stand.
Kowalski beobachtete die Szene und ging dann durchs Hauptportal wieder hinaus. Hinkend entfernte er sich durch die Via dei Fusari.
Aus einem dunklen Hauseingang trat ein Mann und folgte ihm in einigem Abstand.
24 Während Pater Kristophoros die Pilger durch den Lesesaal führte, erzählte er mit leiser Stimme die Geschichte der Bibliothek.
Monsignore Guzman ließ seinen Blick über die mittelalterlichen Kodizes, die alten Bücherregale und die über Bücher gebeugten Mönche schweifen. Jemand hustete, und in der Stille wurde raschelnd eine Seite umgeschlagen.
Ein Mönch näherte sich Pater Kristophoros und murmelte ihm etwas zu. Der Pater entschuldigte sich, er müsse gehen, doch die Besichtigung werde unter der Führung des Bruders Bibliothekar fortgesetzt. Eilig ging er davon.
Ein hohlwangiger Mönch mit schütterem Bart kam ihnen entgegen. Er sei Pater Georgiou, der Bibliothekar, sagte er. Der wahre Schatz dieses Klosters werde im ersten Stock aufbewahrt. Der Mönch ging ihnen über eine Steintreppe voraus.
Die in den Schaukästen ausgestellten, illuminierten Handschriften strahlten in Gold, Rubinrot und Indigo. Sie stammten aus der Zeit vor dem 16. Jahrhundert, erklärte Pater Georgiou, und seien von Skribenten und illuminatores des Klosters im Skriptorium im zweiten Stock der Bibliothek geschaffen worden, der noch in seinem ursprünglichen Zustand erhalten war.
»Können wir ihn besichtigen?«, fragte Guzman.
»Tut mir leid«, antwortete Pater Georgiou mit einem wachsamen Blick auf den Monsignore, »der zweite Stock ist wegen Restaurierungsarbeiten derzeit geschlossen.«
Draußen vor der Bibliothek färbte der Sonnenuntergang die Mauern des Klosters ockergelb, und der Schatten des Glockenturms auf dem Hof wurde länger. Der Monsignore blickte auf seine Uhr. Sechs Uhr, die Zeit der Vesper.
Mit einem dumpfen Schlag schlossen sich die Flügel des Eingangstores. Der Bruder Kustos versperrte sie mit einem Holzbalken, den er mit einem Schloss sicherte.
Vom katholikon erklang ein Gong, und der Monsignore wandte den Blick zur Kirche. Aus den Schlafsälen strömten die schwarzen Silhouetten der Mönche wie Käfer aus ihren Erdlöchern. Sie überquerten den Hof und stellten sich in einer Reihe vor dem katholikon auf. Der Monsignore schloss sich den anderen Pilgern an.
Nach der Vesper stiegen die Mönche die Stufen zur trapeza hinauf. Guzman und Al Kaddafi folgten dem Menschenstrom und setzten sich an einen Tisch mit sechs Mönchen. Das Abendessen bestand aus gekochtem Reis, Tomatensalat mit Oliven und einer Scheibe Schwarzbrot. Es wurde schweigend und in aller Eile verzehrt. Ein Mönch las rasch Abschnitte aus der Bibel vor, seine Stimme mischte sich mit dem Klingeln des Bestecks auf den Tellern.
Genau zehn Minuten später – der Monsignore kontrollierte die Uhrzeit – läutete der igoumenos Athanasios eine Glocke, und der Mönch hörte auf zu lesen. Der Prior erhob sich und ging zum Ausgang. Alle folgten ihm unter lautem Stühlerücken. Der Monsignore dachte an seinen privaten Speiseraum in der Villa Tevere, an das silberne Besteck und die Gerichte, die sein Koch, ein französischer Numerarier, zubereitete. Jesús, Maria y José , große Taten erforderten wahrlich große Opfer. Hoffentlich würde der heilige Petrus nicht vergessen, das in seinem Hauptbuch zu verzeichnen.
Nach der Komplet leerte sich das katholikon um neun Uhr ein letztes Mal. Die Mönche gingen in ihre Zellen, die Pilger ins
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