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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Raum verschwand wieder in der Dunkelheit, in die nur schwach das Mondlicht fiel.
    Auf der Loggia zog Pater Kristophoros den Schlegel aus seinem Gürtel und hob den Arm. Gerade als er die Tür aufstoßen wollte, ertönten von der Veranda der trapeza drei gedämpfte Schüsse. Der Mönch krümmte sich, die Hände an der Brust, fiel über das Geländer und stürzte nach unten. Mit einem dumpfen Schlag prallte der Körper auf die Steinquader im Hof.
    Clausen blickte zur Tür des katholikon . Der Gesang der Mönche drang weiterhin gedämpft durch die Mauern. Er zerlegte das Gewehr und verstaute es wieder im Rucksack. Dann stieg er die Treppe herunter, lief zur Bibliothek, packte den Körper des Mönchs an den Armen und schleifte ihn in eine Ecke unter dem Portikus. Aus seinem Rucksack holte er ein verknäultes Seil, an dem ein Enterhaken baumelte.
    Er trat vor die Bibliothek und blickte zur Loggia hinauf. Das Sirren des Seils übertönte den Gesang der Mönche. Der Enterhaken prallte gegen die Brüstung und fiel klirrend auf den Steinboden zurück. Beim zweiten Wurf blieb der Enterhaken oben. Der Mann zog ein paarmal, das Seil blieb gespannt. Er streifte sich Lederhandschuhe über, schulterte den Rucksack und kletterte an dem Seil die Fassade hinauf.
    Im Skriptorium glitt das Licht der Taschenlampe über die bemalten Scheiben der Bücherschränke, dann über die Tische der Skribenten mit den Lesepulten.
    In rascher Folge öffneten der Monsignore und Al Kaddafi die Türen der Schränke. Bis auf ein paar staubbedeckte, altertümliche Gefäße und Gläser aus buntem Kristall waren die Regale leer. Das Holz verströmte noch den stechenden Geruch der Tinte.
    »Hier sind Handschriften«, murmelte Al Kaddafi, zwei Türflügel aufreißend.
    »Lass sehen.«
    Der Monsignore zog einen Kodex heraus und blätterte. Es war eine Sammlung von Psalmen auf golden illuminiertem Pergament.
    »Mehr sehe ich nicht«, sagte Al Kaddafi. »Unsere einzige Hoffnung ist, dass der Papyrus in einem dieser Bände versteckt ist.«
    »Wir müssen sie Seite für Seite durchsuchen.«
    Al Kaddafi richtete seine Lampe auf die Uhr. »Es ist 03:40 Uhr.«

    » Nada , absolut nichts.« Mit einer ärgerlichen Handbewegung klappte der Monsignore den letzten Kodex zu. Seine Uhr zeigte 05:30 Uhr.
    »Uns bleibt nur noch eine Dreiviertelstunde, Christ. Entweder finden wir ihn oder wir gehen. Warum sollten wir noch eine Nacht bleiben?«
    »Ich denke an die Panzertür dort unten. Ob sie die bloß wegen dieser Handschriften eingebaut haben?«
    »Mit all diesen Farben scheinen sie wertvoll zu sein. Offenbar habt ihr Christen eure Lügen gerne bunt.«
    »Warum hat der Bibliothekar uns diese Geschichte von den Restaurierungsarbeiten erzählt?«
    »Ich weiß es nicht, Christ, keine Ahnung! Was ich weiß, ist, dass diese Mönche schlau sind wie Füchse und heimtückisch wie Schlangen.«
    »Wenn du hier drinnen etwas Kostbares verstecken müsstest, wo würdest du es hintun?«
    Al Kaddafi blickte sich suchend im Skriptorium um. »In einen doppelten Boden unter den Tischen.«
    »Ein Gedanke, der eines Arabers würdig ist.«
    Sie krochen unter die Tische und klopften gegen die Tischplatten. Überall gab das Holz einen vollen Ton.
    »Jetzt der Boden und die Wände«, sagte der Monsignore. »Vielleicht bewegt sich irgendwo ein Stein.«
    »Uns bleiben dreiunddreißig Minuten.«
    Sie stampften auf jeden einzelnen Stein im Boden, dann klopften sie überall gegen die Wände. Nichts.
    »Wenn dieser Papyrus existiert, muss er in Iviron sein«, sagte Al Kaddafi. »Es ist 06:25 Uhr. Das reicht, gehen wir.«
    Der Monsignore strich über seine Narbe. »Jemand hat mal gesagt, das beste Versteck sei eines, das vor aller Augen liegt.«
    »Ach ja?« Al Kaddafi umfasste die ganze Bibliothek mit einer einladenden Handbewegung. »Das gehört alles dir, Christ, aber mach schnell.«
    Der Monsignore ließ das Licht seiner Lampe über Lesepulte, Regale und Deckenbögen wandern. Zuletzt verweilte er auf einer kleinen Ikone der Jungfrau mit dem Kinde, die zwischen zwei Bücherschränken hing. Der Monsignore musterte das Bild aus der Nähe, nahm es von der Wand, legte es auf ein Pult und fuhr mit den Fingern über die Ränder. Dann drehte er es um und inspizierte die Oberfläche. Er klopfte mehrmals mit dem Knöchel des Zeigefingers an den Rändern entlang, dann in der Mitte. Das Holz tönte hohl.
    »Schmallah!« Al Kaddafi beugte sich vor.
    »Trotzdem sehe ich keine Nahtstellen, ich verstehe das nicht«,

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