Curia
wollen.« Der Monsignore blickte auf seine Uhr. »07:17 Uhr. In dreizehn Minuten hören sie auf zu beten.« Er packte den Saudi am Arm. »Wir müssen hier weg, und zwar sofort.«
»Erst holen wir die Leiche des Blonden runter und legen sie neben den Mönch. Dann nehmen wir die Rollen aus der Ikone und hängen sie wieder an ihren Platz.«
»Bist du verrückt? Wir haben keine Zeit mehr, und deine Inszenierung würde sowieso nichts nützen. Sie werden sofort alles kapieren, und wenn sie uns nicht finden, werden sie uns verfolgen.«
Al Kaddafi schwieg. Er wusste genau, dass die Mönche kein Interesse an internationalem Aufsehen hatten, aber er hatte immer noch seinen Fluchtplan im Sinn und wollte die Rollen sicher in seinem Gepäck wissen.
»Was auch immer du vorhast, es kann nicht funktionieren. Verstehst du das denn nicht, Dickkopf? Jetzt ist dieses Fischerboot die einzige Möglichkeit, von Athos wegzukommen. Ach, mach doch, was du willst. Ich laufe nach Iviron.«
Guzman marschierte geradewegs auf den Ausgang zu. Wenige Augenblicke später hörte er die Schritte des Saudis hinter sich. Das Tor stand weit offen. Hinter langen Reihen schwer mit dunklen Trauben beladener Weinstöcke glitzerte die Ägäis in der aufgehenden Sonne.
Mit schnellen Schritten und einem hastigen kalimera als Antwort auf den Gruß des Bruder Kustos gingen sie durch das Tor und schlugen den Fußweg nach Iviron ein. Der Mönch kam aus seinem Häuschen heraus und blickte ihnen verwundert nach.
Wenige Minuten später verkündete der Gong das Ende der morgendlichen Gebete. Die Tür des katholikon öffnete sich, und die Mönche strömten auf den Hof.
25 Michaela Rosenberg blieb vor den römisch-byzantinischen Arkaden der Großen Synagoge in der Rue de la Victoire stehen. Sie blickte zur Fassade empor, während sie nach der Brosche an ihrer Jacke tastete. Dann stieg sie die Freitreppe hinauf und verschwand im Inneren.
»Der Großrabbiner erwartet Sie«, sagte der Sekretär auf Jiddisch und öffnete eine Tür.
»Schalom aleichem.« Über seinen Schreibtisch gebeugt, den eine große Menora aus Messing mit einem Davidstern beherrschte, gab der Großrabbiner Toaff Michaela die Hand.
» Aleichem schalom .«
Jacob Toaff, der Großrabbiner von Frankreich, war ein hagerer Mann, dessen von einem mächtigen Bart umrahmtes Gesicht aussah wie eine Kreuzung zwischen einer Zitrone und einer Trockenpflaume. Ein Tallit aus weißer Seide bedeckte seine Schultern.
»Womit kann ich Ihnen dienen?«
»Ich weiß nicht einmal, wo ich anfangen soll.« Michaela wand sich auf ihrem Stuhl. »Ich habe etwas erfahren, das eine Gefahr für unseren Glauben … und für Israel bedeuten könnte.«
Der Singsang der Psalmen aus den Räumen der Rabbinerschule untermalte Michaelas Bericht.
»Für und gegen die Bibel wurden viele tausend Bücher geschrieben, und jeder hat das Seine gesagt.« Der Großrabbiner lächelte fatalistisch. »Monsieur St. Pierre hat ein Recht auf seine eigene Meinung, finden Sie nicht?«
»Das ist nicht das Problem.«
Michaela zog einige Papiere aus ihrer Tasche. Sie reichte dem Großrabbiner die Kopien der beiden Briefe des Archäologen in Kairo an den Kurator des Louvre und die zwei Artikel aus der »Times«, ebenfalls aus dem Jahr 1924. Sie erzählte von einem verschwundenen Papyrus aus dem Grab Tutanchamuns und von der Vermutung, er könne im Archiv des britischen Geheimdienstes versteckt sein.
»Das ist nur eine Vermutung.« Der Großrabbiner blätterte in den Fotokopien. »Vielleicht hat es diesen Papyrus nie gegeben.«
»Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen widerspreche, Großrabbiner, aber die beiden Briefe von Lord Carnarvon beweisen, dass es diesen Papyrus gab. Und was machte der Chef des Secret Intelligence Service zwei Wochen nach dem Streit mit Carter in Allenbys Büro in Kairo?«
Der Großrabbiner strich nachdenklich über seinen Bart.
»Wenn dieser Papyrus entdeckt wird«, fuhr Michaela fort, »und wenn sein Inhalt dem entspricht, was Carter androhte, können Sie sich die Folgen vorstellen.«
»Wer weiß außer Ihnen, St. Pierre und diesem Gaston noch von der Geschichte?«
»Sie sind der Erste, mit dem ich darüber spreche. Was Théo und Gaston betrifft, bezweifle ich, dass sie es jemandem erzählen. Mit einer Ausnahme vielleicht, einem Antiquitätenhändler in der Rue des Capucines.« Michaela erklärte, in welcher Beziehung Konstantine zum Louvre stand.
»Kann ich die Fotokopien behalten?«
Michaela nickte.
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