Curia
meinen.«
»Wirklich nicht? Warum haben Sie mich dann eingeladen?«
»Ihr Brief hat mich neugierig gemacht, das ist alles.«
»Ich bezweifle, dass Sie Ihre Zeit damit vergeuden, Anfälle von vager Neugierde zu befriedigen. Wenn Sie wissen wollen, was ich unter der Intarsie gefunden habe, müssen Sie mir sagen, wo das Grab ist.«
»Ein Grab? Aha, jetzt verstehe ich. Dieser geheimnisvolle Papyrus offenbart das Versteck eines Grabes.« Kassamatis nippte am Champagner. »Was interessiert Sie denn so sehr daran? Der dort Begrabene oder etwas, was sich darin befindet?«
»Ach, nun geben Sie es schon zu. Sie haben den Papyrus gestohlen. Nichts, nicht einmal der vertraute Umgang mit Königen und Präsidenten, kommt dem Hochgefühl gleich, das jemand wie Sie empfindet, wenn er einen solchen Schatz besitzt. Habe ich nicht recht?«
Kassamatis lächelte amüsiert. »Sie hätten Psychologe werden sollen. Aber verraten Sie mir doch bitte, wie Sie auf mich gekommen sind.«
Théo sagte es ihm.
»Wirklich schade, dass Ihre Schlussfolgerung falsch ist, aber etwas muss ich Ihnen zugestehen: Verglichen mit Ihnen, gibt Interpol eine so lächerliche Figur ab wie Inspektor Clouseau. Aber diese verwickelte Geschichte gefällt mir. Nehmen wir einmal an, ich sei der Dieb. Warum sollte ich Ihnen denn überhaupt verraten, was auf dem Papyrus geschrieben steht?«
»Weil dieser Papyrus ohne das, was ich im Dom von Siena entdeckt habe, nichts wert ist.«
»Wenn Sie wirklich etwas so Außergewöhnliches entdeckt hätten, säßen Sie jetzt nicht hier.«
»In meinem Brief habe ich von zwei Hälften einer Schatzkarte gesprochen. Das hatte seinen Grund.«
»Ich sehe nur, dass Sie diesen Papyrus dringend brauchen.«
»Täuschen Sie sich nicht. Ohne meine Hälfte haben auch Sie nichts. Sollten Sie eines Tages das Grab betreten, wüssten Sie nicht, wonach Sie suchen müssen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass es ein noch größeres Geheimnis gibt als das um den Exodus?«
»Es ist ein Geheimnis der ägyptischen Alchemisten und Priester. Ein Geheimnis, das die Menschen seit über dreitausend Jahren fasziniert und Antworten auf die Fragen gibt, die sie sich seit Urzeiten stellen.«
»Alle Achtung, Herr St. Pierre, Sie wissen Ihre Ware gut anzupreisen. Wenn ich den Papyrus hätte, würde Ihr Vorschlag mich durchaus reizen, doch meine Antwort bliebe trotzdem Nein.«
»Und warum?«
»Nehmen wir an, ich hätte den Papyrus und würde auf Ihren Vorschlag eingehen. Was täten Sie dann?«
»Was für eine Frage! Ich würde schnurstracks zum Grab gehen.«
»Und wenn Sie dort drinnen waren und Gewissheit über die Identität des Verstorbenen haben, was machen Sie dann?«
»Ich würde die Tatsache der ganzen Welt mitteilen.«
»Warum? Aus Rache an der Kirche, wenn bewiesen werden sollte, dass der Vatikan Ihren Bruder umbringen ließ?«
»Um der Gerechtigkeit und der Wahrheit willen.«
»Gerechtigkeit und Wahrheit?« Kassamatis brach in Gelächter aus. Dann wurde er ernst und hob das Champagnerglas. »›Was ist Wahrheit?‹, fragte Pilatus, aber die Antwort hat er nicht abgewartet. Wenn ich Worte wie ›Gerechtigkeit‹ und ›Wahrheit‹ höre, ist meine erste instinktive Reaktion, mir bleigefütterte Unterwäsche anzuziehen.«
»Ich verstehe. Besser, man verschließt die Wahrheit ganz unten im Bunker und suhlt sich im Gefühl der eigenen Macht, während zwei Milliarden Idioten weiter einem Traum hinterherlaufen.«
»Sie mögen ja ein ausgezeichneter Archäologe sein, aber Ihre Ausgrabungen haben Sie offensichtlich recht wenig über die menschliche Natur gelehrt. Seit der Zeit, als er noch mit einem Fell herumlief, hat der Mensch sich überhaupt nicht verändert. Der einzige Unterschied ist, dass seine Keule heute das Markenzeichen Yves Saint Laurent trägt.«
»Wenn Sie den Papyrus haben, wovon ich überzeugt bin«, sagte Théo, »dann bezweifle ich, dass Sie all diese Jahre aus Rücksicht auf den religiösen Seelenfrieden Ihrer Mitmenschen geschwiegen haben.«
»Sie haben recht, daran zu zweifeln. Aber bedenken Sie eines: In dieser Welt ist eine Lüge, die zum Lächeln bringt, besser als eine Wahrheit, die zum Weinen bringt. Und als Geschäftsmann habe ich gelernt, dass es sich nicht auszahlt, Überbringer von Tränen zu sein, darum verbünde ich mich nicht mit denen, die sie versprechen.«
»Die Wahrheit hat noch nie jemanden zum Lachen gebracht, das muss ich Ihnen zugestehen, aber ist das ein triftiger Grund, um weiterhin in einer Welt
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