Curia
antworteten sie, hoben die Gläser und leerten sie in einem Zug.
Beim Essen erzählte Kassamatis, dass Lazarus und er als Jungen auf demselben Fischerboot gearbeitet hätten.
Théo nahm die Flasche und füllte Kassamatis’ Glas. Das Essen, der Wein und die Trinksprüche mit Ouzo hatten Kassamatis bereits dazu gebracht, ihm das Du anzubieten. Die Versuchung, sich dieser Kumpanei ohne Hintergedanken hinzugeben, war stark, doch er musste um jeden Preis eine Gelegenheit schaffen, damit Kassamatis redete. Wenn die Wirkung des Ouzo, der Bouzouki und der Kindheitserinnerungen verflogen war, würde Kassamatis wieder der Alte sein, und sie würden sich nie mehr wiedersehen. Heute Abend oder nie.
»Weißt du, wenn ich es recht bedenke«, sagte Théo, »wird mir klar, dass du den Papyrus nicht gestohlen haben kannst. Vergiss, was ich auf der Terrasse gesagt habe.«
Die Hand, mit der Kassamatis eine Gabel voll Dolmades zum Mund führte, blieb auf halber Strecke stehen. »Und warum könnte ich es nicht gewesen sein?«
»Was auch immer du mir erzählt hast, ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass du nur kalkulierbare Risiken eingehst, und das ist vernünftig. Eine Unternehmung wie die mit dem Papyrus erfordert die visionäre Kraft eines Alexander und die Entschlossenheit eines Patton.«
»Du willst damit sagen, dass ich keine dieser Eigenschaften besitze?«
Théo machte eine wegwerfende Handbewegung und trank sein Glas Wein aus.
»Frag, wen du immer willst, wer Alexis Kassamatis ist.« Er klopfte sich mit dem Zeigefinger an die Brust. »Weißt du, was sie dir antworten werden? Dass Sicherheit für Kassamatis ein Aberglaube ist und dass das Leben ein ständiges Abenteuer für ihn sein muss, sonst ist es nichts wert.«
»Weißt du was? Ich würde wirklich gerne wissen, wer den Coup mit dem Papyrus gelandet hat. Das muss ein Mann sein, wie man ihn nicht alle Tage trifft.« Théo streckte die Hand nach einem Teller aus. »Noch ein bisschen gebackenen Tintenfisch, Alex?«
»Zum Teufel mit dem Tintenfisch! Reden wir zur Abwechslung mal über dich. Lass hören. Welche Risiken gehst du in deinem Leben ein?«
Er hatte sich über Théo informiert: eine geschiedene, kinderlose Ehe, keine Freunde und keine Leidenschaften außer der Geige.
»Man muss leben, um das Leben zu lieben«, sagte Kassamatis. »Du bist innerlich so tot wie deine Ruinen. Statt Kontakte zu Menschen zu pflegen, spielst du Geige. Aber das Leben ist kein Violinkonzert.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Teller hüpften. »Halt mir also keine Moralpredigten über Risiken, Freundchen, denn ich nage das Leben jeden Tag wie einen Knochen ab, während du in deiner Muschelschale hocken bleibst.«
Théo beugte sich zu Kassamatis vor und sah ihm direkt in die Augen. »Wenn sie jetzt einen Sirtaki spielen würden, könnte ich dir zeigen, wie man das Leben liebt.«
»Du willst Sirtaki tanzen?« Kassamatis brach in ein unbändiges Gelächter aus, bis ihm Tränen in den Augen standen. Plötzlich wurde er ernst. »Das glaube ich nicht mal, wenn ich es sehe.«
»Ist das eine Herausforderung?«
»Das kann man wohl sagen.«
Kassamatis sprang auf, hakte Lazarus unter und flüsterte ihm, auf Théo zeigend, etwas zu. Grinsend eilte Lazarus zu den drei Bouzouki-Spielern.
Kassamatis zog seine Jacke aus und krempelte sich die Hemdsärmel hoch. Théo tat es ihm nach. Die Spieler gingen auf die Veranda und räumten die Tische weg. Théo und Kassamatis stellten sich in der Mitte der Veranda auf, umringt von den Gästen.
Die Bouzouki stimmten die Melodie aus dem Film Alexis Zorbas an, und es wurde ganz still in der Taverne. Théo spannte seine Muskeln. Er hatte vier Minuten. Aber wie brachte er ihn zum Sprechen, wie?
Mit erhobenen Armen und konzentrierter Miene umkreisten sie einander zu den ersten langsamen Takten.
Dann wurde der Rhythmus drängender, und ihre Bewegungen beschleunigten sich synchron, während sie einander mit herausfordernder Miene starr in die Augen sahen. Die Gäste begannen, mit Händen und Füßen den Takt zu schlagen. Als der Rhythmus mitreißender wurde, sprang Théo auf einen Tisch und begleitete die Bewegungen seiner Beine mit Rufen und Händeklatschen, auf die die Gäste antworteten, die jetzt alle nur auf ihn blickten. Er wirbelte im Kreis auf dem Tisch herum und gab Kassamatis ein Zeichen, zu ihm heraufzuspringen.
Der sprang auf den Tisch, der Rhythmus wurde frenetisch, und beide Männer bewegten sich immer schneller, mit perfekt
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