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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Zoltan drückte ihm die Hand. »Warum Allah wegen so einer Kleinigkeit behelligen? Unser Wille, Bruder. Unser.«

    REISE VON IUNU NACH SAIS, GROSSER PHÖNIX-TEMPEL, FÜNFTES JAHR DER REGENTSCHAFT AMENHOTEPS IV.
    Im Licht der untergehenden Sonne wehten die Palmen und warfen ihre Schatten auf die violetten Reflexe des Nils.
    Nepher und Meryre gingen mit den Meistern der Gerechtigkeit und der Wahrheit an Bord, wo sie vom Kapitän empfangen wurden. Die Matrosen lösten die Ankertaue, die Ketten rasselten, und die Brise blähte das rote Segel, das am Hauptmast aufgezogen wurde. Die Ruder tauchten ins Wasser, und der hohe Bug des Bootes Atons Glanz entfernte sich vom Kai. Die unterhalb des Vorschiffs eingefügte goldene Scheibe des Gottes glänzte im Sonnenuntergang.
    Nepher trat an die Bootswand, den Blick zum Ufer gewandt. Auf den Feldern, die im Gelb der Erntezeit prangten, führten die Bauern ihre Pflüge durch die Furchen. Vor den Schilfrohrhütten schürten die Frauen das Feuer, und die Brise trug den Duft frisch gebackenen Brotes und gebratener Fische herbei.
    »Hoheit«, sagte Thutmosis, der Meister der Werke, der neben dem Pharao stand, »darf ich fragen, warum du gewünscht hast, dass ich mitreise?«
    »Ich will, dass du dir gut einprägst, was du heute Nacht an den Ufern von Sais siehst. Du wirst es auf die Wände meiner Grabkammer malen.«
    »Aber Hoheit, das ist wider alle Tradition. Das Totenbuch …«
    »Sprich mir nicht vom Tod!« Nepher machte eine abwehrende Handbewegung. »Hier und jetzt bricht eine Nacht der Wiedergeburt an.«
    Hunderte Flämmchen flackerten durch das Dunkel. Nepher ging zum Bug, von wo aus sein Blick über beide Ufer schweifen konnte. Es waren Öllämpchen, die auf den Fensterbänken und im Inneren der Häuser brannten. Plötzlich mischte sich ein Chor aus Wehklagen mit dem Gesang der Ruderer. Männer und Frauen zogen im Licht der Fackeln am Ufer entlang. Unter lauten Klagerufen schlugen sie sich an die Brust, zerrissen ihre Kleider und geißelten ihren Rücken. Viele wühlten zwischen den Binsen, als suchten sie etwas. Sie suchten den Körper von Osiris.
    Nach und nach füllte sich der Nil mit Booten und Flößen, alle voller Menschen mit Fackeln in den Händen, die zitternde gelbe Striche auf den Nil zeichneten.
    Als Sais in Sicht kam, vervielfachten sich die Flämmchen und schimmerten durch die Finsternis wie die Glühwürmchen in den Papyrussümpfen zur Erntezeit. Eine unüberschaubare Menschenmenge drängte sich an den Ufern des Nils, ihre Klagelieder hallten über den Fluss. Nepher blickte zum Himmel. Er war so übervoll mit Sternen, dass man nicht hätte sagen können, wo die Flämmchen aufhörten und wo die Sterne begannen.
    »Sieh mal, Hoheit.« Thutmosis zeigte zum Himmel. »Siehst du diesen Schein dort oben?« Seine Augen weiteten sich verzückt. »Das ist Magie.«
    Große Lichthöfe umgaben die Sterne, wie die Gischtnebel an den Wasserfällen von Kush. Nepher umklammerte die Want, er dachte an Meryres Worte: »Eine magische Nacht bricht an.«
    »Thutmosis, glaubst du, du wirst diese Lichthöfe in meiner Grabkammer malen können?«
    »Ich werde es versuchen, Hoheit. Aber was sollen sie ausdrücken?«
    Mit einer Handbewegung umfasste Nepher beide Ufer und den bestirnten Himmel. »All das hier.«
    Die Matrosen warfen die Ankertaue um die Poller am Kai, und Atons Glanz legte hinter einem phönizischen Schiff an. Nepher ging mit Meryre und den beiden Priestern von Bord, geleitet vom Führer der Leibgarde und seinen Medjai. Mit Stößen ihrer Schilde brachen die Gardisten ihnen Bahn durch die lärmende Menge, die sich in den engen Hafengassen drängte.
    Sie nahmen den Weg, der sich den Hügel hinaufschlängelte. Auf seiner Spitze ragten die Säulen des Großen Phönix-Tempels vor dem Himmel empor, und die Flammen vieler Glutbecken beleuchteten die Ewigkeitsversprechen ihrer Inschriften.
    Auf der einen Seite erstreckte sich Sais an den Ufern des Nils, auf der anderen der See der Stadt, an dessen Ufern es von Menschen wimmelte. Ein rhythmischer Gesang erfüllte die Luft. Tempelpriester zogen einen Gegenstand an Stricken auf das Seeufer zu. Die Menge wich zurück, und eine Kuh aus vergoldetem Holz erschien, deren Hörner eine Sonnenscheibe trugen. Nepher entsann sich der Lehren seiner Meister aus dem Haus des Lebens: Diese Priester würden jetzt die Heiligen Mysterien der Wiederauferstehung des Osiris zelebrieren.
    Unter dem Portikus des Tempels blickte Nepher zu den Hieroglyphen

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