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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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sich schlagartig. Keuchend kam Théo an der Brüstung zur Treppe an und beugte sich darüber.
    Der Mann rannte die Treppe hinunter. Auf der obersten Stufe stand der Wachmann mit erhobenem Arm, zielte und feuerte. Wenige Zentimeter von dem Flüchtenden entfernt wirbelte eine Staubwolke auf. Der Mann blieb stehen, drehte sich mit der Pistole in der Hand um, hob den Arm und gab zwei Schüsse auf den Wachmann ab. Dann zielt er mit einer schnellen Drehung des Arms in Théos Richtung und schoss ein drittes und viertes Mal.
    Der Wachmann ließ die Pistole fallen, fasste sich an die Brust, schwankte auf der obersten Treppenstufe hin und her und stürzte dann unter den Schreien der Besucher, die Treppe hinunter.
    Théo warf sich auf die Seite. Ein Projektil zischte dicht an seinem Kopf vorbei, ein anderes streifte seine Schulter. Hinter ihm zerbrachen klirrend Glasscheiben, und ein Hagel von Splittern ergoss sich über ihn.
    Der Mann rannte weiter die Treppe hinunter bis ins Erdgeschoss. Zwei Schüsse in die Luft jagten die Menschenmenge in panischer Flucht nach allen Seiten auseinander. Dann war er verschwunden.
    Aus den Lautsprechern meldete sich der Verantwortliche für den Sicherheitsdienst des Louvre, der das Publikum aufforderte, Ruhe zu bewahren. Théo lief über die blutbefleckten Stufen und beugte sich über den Körper des Wachmanns, der schräg über den Stufen lag, die Augen weit geöffnet. Théo tastete nach seinem Puls. Er war tot.
    Im Cour Carrée heulten Polizeisirenen. Wenige Augenblicke später hörte man eilige Schritte und aufgeregte Rufe im Erdgeschoss. Polizisten stürmten zwischen der zurückweichenden Menge die Treppen hinauf.
    Beim nächsten Mal würde dieser Mann sein Ziel nicht verfehlen. Würde es vor seiner Haustür passieren? Vor einem Zeitungskiosk? Oder mitten auf dem Cour Napoléon? Wo war Raisa? Hatte sie seine Nachricht gelesen?
    Angst? Er richtete sich auf und blickte auf seine blutverschmierten Hände. Sie zitterten nicht, und sein Herz schlug normal. Nicht er hatte Angst, sondern der Mörder, wer auch immer das war. Man musste sich sehr bedroht fühlen, um vier Menschen umbringen zu können. Théo überraschte sich dabei, wie er den Griff einer imaginären Axt umklammerte und auf einen Schatten einschlug. »Wenn ich wütend bin, gehe ich raus, nehme eine Axt und hacke Holz«, hatte der italienische Kommissar gesagt.
    Jetzt wusste er ganz genau, was er tun musste – was er von Anfang an hätte tun sollen.
    Am nächsten Morgen lautete die Schlagzeile des »Figaro«: »Schießerei im Louvre, ein Wachmann getötet. War der Ägyptologe des Museums das eigentliche Ziel?«

    THEBEN, GROSSER AMUN-TEMPEL, FÜNFTES JAHR DER REGENTSCHAFT AMENHOTEPS IV.-ECHNATON
    Aus der Allee der Widder in Karnak erhob sich der Lärm rollender Räder und stampfender Pferdehufe, dazwischen das Knallen von Peitschen und die Rufe der Wagenlenker.
    Ein Horusauge aus Elektron – das Abzeichen des obersten Kommandanten des Heeres – blitzte zwischen der doppelten Reihe von Sphinxen mit Widderkopf auf, während die Menge sich gegen die Statuen drängte. Wiehernd blieben die Pferde vor dem Portal des Großen Amun-Tempels stehen, der Offizier stieg ab und band die Zügel der Tiere an den Ring eines Pfeilers. Seine Schritte hallten durch den Säulenwald des Atriums, beim Gehen klopfte er mit dem silbernen Griff einer Peitsche gegen die Bronzefransen seines Lederwamses.
    »Warum diese Eile, Tehuti?« Mit einem verächtlichen Blick setzte sich der General Horemheb auf einen Stuhl mit Elfenbeinintarsien in der Rückenlehne und warf die Peitsche auf den mit Papyrusrollen übersäten Tisch des Hohepriesters.
    »Ich möchte, dass du etwas liest.« Tehuti, ein Mann mit kahl geschorenem, ölig glänzenden Kopf, Knopfaugen und einem dreifachen Kinn, goss mit Myrrhe aromatisierten Wein in zwei Kelche und reichte einen dem General, zusammen mit einem Papyrus. »Das hat mir heute Morgen ein Bote des Pharaos Echnaton gebracht. Es wird dich interessieren.«
    »Der Pharao Echnaton?« Der General rollte den Papyrus auf. »Und wer soll das sein, bei allen Dämonen Seths?«
    »Ach, du weißt es noch nicht? Seit heute nennt der Sohn der Sonne sich nicht mehr Amenhotep IV., sondern Echnaton.« Tehuti lächelte säuerlich. »Diener Atons.«
    »Und du hast mich herbestellt, um mir das zu sagen?«
    »Eine Kleinigkeit, meinst du? Nun, mit diesem Edikt wird Aton zum einzigen Gott der Zwei Länder. Alle anderen Gottheiten sind verbannt, außer Ra

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