Curia
Asse der Schwerter würde es noch geben? Wer war der Nächste?
Seine Hand umklammerte den Bleistift so fest, dass er zerbrach. Er war der Nächste. Was würde er tun, wenn er der Mörder wäre? Er würde sofort zuschlagen. Stephanie hatte gesagt, Spyro sei gegen sieben umgebracht worden. Théo blickte auf die Uhr. Er selbst müsste auch längst tot sein.
»Darf ich Sie mitnehmen, St. Pierre?«, hatte der Nachbar aus der unteren Etage lächelnd gefragt und sich aus dem Fenster seines Peugeot 607 gebeugt, während er aus der Tiefgarage fuhr.
»Danke, Herr Professor, aber ich fahre gerne Métro.«
»Nun kommen Sie schon, lassen Sie sich nicht lange bitten.« Der Professor hatte die Wagentür geöffnet. »So können Sie mir ein paar Anregungen für meine Vorlesung über die Bestattungsriten im alten Ägypten geben.«
Er war eingestiegen. Der Peugeot war in der Rue des Trois Frères herausgekommen und in die entgegengesetzte Richtung des Wegs gefahren, den Théo gewöhnlich jeden Morgen nahm, um zu Fuß zur Métrostation Abbesses zu gehen.
Wäre er zu Fuß zur Métro gegangen, hätte ihn jemand aus einem Fenster oder aus nächster Nähe direkt auf der Straße erschossen. Eine Szene aus einem drittklassigen Thriller, über die er gelacht hätte, wenn er nicht das vorherbestimmte Opfer wäre.
Raisa. Wie hatte er sie vergessen können? Er wählte die Nummer ihres Handys. Merde , es war ausgeschaltet. Er hinterließ eine Nachricht, sie solle sofort zurückrufen. Dann wählte er ihre Nummer in der Salpêtrière.
»Die Frau Doktor ist auf einer Tagung in London«, sagte ihre Assistentin.
»Wann kommt sie nach Paris zurück?«
»Heute Abend spät. Wollen Sie mir denn nicht sagen, was los ist?«
Er bat um die Telefon- und Faxnummer ihres Hotels und des Sekretariats der Tagung. Wenn Raisa sich bei ihrer Assistentin meldete, möge sie ihr ausrichten, sie solle sich bei ihm melden, egal, um welche Zeit.
»Auf keinen Fall darf Raisa in ihre Wohnung zurückkehren. Haben Sie mich verstanden? Auf keinen Fall.«
Dann rief er das Regency Park in London an. Raisa war ausgegangen. Er versuchte es wieder und wieder beim Sekretariat der Tagung für Psychiatrie, aber die Leitung war immer besetzt. Gerade wollte er Clea anrufen, als ihm einfiel, dass sie zwei Wochen Ferien hatte. Er schrieb zwei identische Faxe an das Hotel und an das Tagungssekretariat, druckte sie aus und schrieb » Very urgent « in Blockbuchstaben darüber. Dann ging er in Cleas Büro und schickte sie ab.
Vor dem Fenster strömten die Touristen über den Cour Napoléon. Wie sollte er heute Abend nach Hause kommen? Und am nächsten Tag? Er setzte sich. Das Ticken der Uhr jagte seinen Gedanken hinterher. Heute Abend? Der Mörder würde nicht bis zum Nachmittag warten. Sein Blick ging zur Tür des Büros.
EINGANG ZUR PYRAMIDE DES LOUVRE
Kowalski ignorierte die Warteschlange der Besucher vor der Pyramide, trat entschlossen durch die Eingangstür und fuhr mit der Rolltreppe in die unterirdische Empfangshalle hinunter. Dort ging er zu einem Schalter mit der Aufschrift »Accueil«.
»Ich bin Inspektor Truchot von der Kriminalpolizei.« Kowalski zeigte der Angestellten das Abzeichen der Police Judiciaire. »Ich muss mit Monsieur St. Pierre, dem Kurator der Ägyptischen Abteilung, sprechen.«
»Haben Sie einen Termin?«
»Madame, die Polizei braucht keine Termine.«
»Entschuldigen Sie bitte.« Die Angestellte wählte eilig eine Nummer. »Monsieur St. Pierre, hier ist der Empfang. Ein Kommissar der Kriminalpolizei möchte Sie sprechen … In Ihr Büro? Gut.«
»Sie können hinauf, Herr Kommissar. Das Büro von Monsieur St. Pierre befindet sich im ersten Stock, an der Ecke zwischen den West- und Südfluren des Cour Carrée.«
»Wie erkenne ich ihn?«
»An der Tür steht sein Name.«
Kowalski ging durch die Schranke am Eingang und verlor sich in der Menge.
THÉOS BÜRO
Théo legte auf und blickte zur Uhr. 10:50 Uhr. Der Kommissar, der im Mordfall Spyro ermittelte, war um Viertel vor zehn zu Stephanie gegangen. Die Polizei verlor wahrhaftig keine Zeit.
Er malte Schnörkel auf ein Papier. Der Kommissar hatte sich mindestens eine halbe Stunde lang bei Stephanie aufgehalten, was bedeutete, dass er von der Rue des Capucines aus direkt zum Louvre gegangen sein musste. Seine Hand hielt inne. Warum diese Eile?
Warum wollte der Kommissar ausgerechnet ihn zuerst befragen, einen Museumskurator, statt Spyros’ Lieferanten oder Kunden? Er wählte die Nummer von
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