Curia
und einen Augenblick lang wirbelte die Karte des Narren durch das Zimmer. »Den Verlockungen des Irrationalen kann er nicht widerstehen«, hatte die Herzogin gesagt. Er ging hinaus und mischte sich unter das Museumspublikum.
Am Ende der Treppe blieb er stehen. Wo war dieser Dreckskerl? Wartete er draußen auf ihn? Oder vor seiner Haustür? Wie sollte er auf die Straße gehen? Oder Paris verlassen? Er trat vor die großen Fenster auf den Cour Carrée. Gerade stieg der Kriminalkommissar in ein Polizeiauto. Théo lief in Richtung Pavillon des Artes, stürzte durch die Tür nach draußen und winkte dem Wagen. Der Kommissar beugte sich aus dem Fenster.
»Nehmen Sie mich mit?«
»Ich fahre Richtung Montparnasse. Passt Ihnen das?«
»Mir passt jede Richtung, wenn es nur weit weg von hier ist.«
»Steigen Sie ein.«
Als sie an der Kirche St. Germain des Près vorbeifuhren, bat Théo darum, aussteigen zu dürfen.
»Und Sie wollen mir wirklich nicht mehr über die Ursache der Schießerei verraten?«
»Nein, Kommissar.«
Der Inspektor seufzte resigniert. »Na gut, wie Sie wollen.« Er reichte Théo eine Visitenkarte. »Wenn Sie Ihre Meinung ändern sollten, wissen Sie, wo Sie mich finden.«
Théo bog um den Boulevard St. Germain, eilte an den mit Touristen voll besetzten Tischchen des Café de Flore vorbei und ging, sich fortwährend umschauend, weiter ins Quartier Latin. Vor einer Agentur der France Télécom machte er halt, trat ein und kaufte ein neues Handy mit neuem Chip und neuer Nummer.
Als er den Laden verließ, wandte ein Priester seinen Blick vom Schaufenster ab und ging hinter Théo her.
»Hast du die neue Nummer aufgeschrieben?« Théo telefonierte im Gehen. »Blonville-sur-Mer? Warum? … Nein, das ist eine gute Idee. Bleib dort … Raisa, ich rufe dich sofort an, wenn ich mich entschieden habe.«
Das Schild des Hotel Delavigne erregte seine Aufmerksamkeit. Warum nicht? Niemand würde auf die Idee kommen, ihn in einem Hotel im Quartier Latin zu suchen. Er ging hinein und bat um ein Zimmer für eine Nacht.
Sobald die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, setzte er sich aufs Bett, nahm das Telefonbuch von Paris und überflog die Eintragungen unter dem Buchstaben S. Er kritzelte die Nummer der saudi-arabischen Botschaft auf einen Zettel und wählte.
»Welches ist der Zweck Ihrer Reise?«, fragte eine Männerstimme mit ausländischem Akzent.
»Das Land besichtigen.«
»Das Land besichtigen? Mein Herr, Saudi-Arabien stellt keine Touristenvisa aus.«
»Ach nein? Wem stellen Sie dann Visa aus?«
Es gebe ein Visum für die, die mit einem Arbeitsvertrag in das Königreich einreisten, und es gebe ein Visum für Pilger in die heiligen Städte Mekka und Medina. Außerdem erhielten Geschäftsreisende ein Visum, doch sie mussten eine schriftliche Einladung einer saudischen Firma vorweisen.
»Da ich von der wahrscheinlichen Annahme ausgehe, dass Sie kein Moslem sind, bleibt Ihnen eine einzige Möglichkeit, in das Königreich einzureisen, nämlich, sich einen Sponsor zu suchen. Guten Tag, mein Herr.«
Einen Sponsor? Wen? Normalerweise hätte er es im Namen des Louvre beim Minister für Altertümer in Riad versuchen können, doch nach der Szene mit dem Direktor war das nicht mehr möglich. Das Brummen der Minibar erinnerte ihn an die Stille in Vankos Wohnung in der Via del Pellegrino.
Er öffnete den Geigenkoffer und holte die Jaeger und den Bogen heraus. Auf dem Bett sitzend, lehnte er sich gegen das Kopfende und setzte die Geige an. Die wehmütigen Klänge des Adagio im Violinkonzert Nr. 1 in g-Moll von Max Bruch erfüllten den Raum. Plötzlich stand der Bogen still. Théo sah ein Foto von Kassamatis in Gesellschaft des saudi-arabischen Königs Faisal vor sich. Der Sponsor.
Er schaute auf die Uhr. 15:10 Uhr, also zehn nach neun in New York. Er sprang auf und holte den Organizer aus seinem Sack.
»Tut mir leid, Mister St. Pierre, aber ich kann ihn jetzt nicht stören«, sagte Kassamatis Sekretärin. »Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?«
»Es ist wichtig. Sagen Sie ihm, ich warte in der Leitung. Bitte.«
»Einen Augenblick.«
Eine längere Stille folgte.
»Théo, bist du noch heil und ganz?«, fragte Kassamatis.
»Warum?«
»Die Schießerei von heute Morgen ist schon in den Nachrichten. Wo bist du?«
»Das ist unwichtig. Alex, ich muss dich um einen Gefallen bitten.«
»Warum? Habe ich bei dir den Eindruck geweckt, ich sei einer, der anderen einen Gefallen tut?«
»Darum zu bitten, vor
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