Curia
Gott, der nur aus Licht besteht, kenne ich nicht. Aber auch wenn du recht haben magst, warum dem Volk einen einzigen Gott aufzwingen? Warum lässt du ihm nicht die Freiheit der Wahl?«
»Ich will, dass die Liebe Atons sich über ganz Ägypten verbreitet wie sein Licht und dass mein Volk lernt zu fühlen, was ich fühle. Eine Welt ohne Hass, wo der Mensch des Menschen Bruder ist.«
»Eine Welt ohne Hass, wo alle Brüder sind?« Nakht lachte bitter und zeigte auf die Tontäfelchen, die sich auf dem Tisch stapelten. »Sogar Suppiluliuma und Aziru, dieser Verräter, nennen dich ›Bruder‹, aber unterdessen schneiden sie den Soldaten unserer Garnisonen die Kehle durch. Die Welt, die du dort oben siehst, Hoheit, die kann ich nicht entdecken, und ich bezweifle, dass ich oder andere sie jemals sehen werden. Wie lautet deine Entscheidung?«
»Aton bleibt der einzige Gott, und die Amun-Tempel bleiben geschlossen. Was die Streitwagen betrifft, so befiehl Maya einzuschreiten, aber ohne Sicheln an den Rädern und ohne Blutvergießen. Um dem Mangel an Korn abzuhelfen, werden wir die königlichen Speicher bis zum Grund leeren. Und wir werden noch mehr tun. Gib Befehl, die Hälfte des Korns der Adeligen zu beschlagnahmen.«
»Das Korn der Adeligen? Hoheit, wenn du ihnen ihr Korn nimmst, werden auch sie sich gegen dich erheben.«
»Mein Arm ist der Arm Maats. Ich hole mir nur zurück, was sie dem Volk gestohlen haben.«
»Aber das wird nichts nützen! So spielst du den drei Verschwörern nur in die Hände. Wenn du Amun nicht wieder als Gott einsetzt, werden die Aufstände weitergehen. Willst du einen Bürgerkrieg riskieren?«
»Ein Leben ohne Risiken ist das gefährlichste von allen.«
»Hoheit, ist dir nicht bewusst, dass die Probleme sich nicht auf die inneren Angelegenheiten Ägyptens beschränken?«
»Was gibt es denn sonst noch?«
»Einen Vertrag mit Suppiluliuma zu schließen war ein schwerer Fehler – ich sagte es dir seinerzeit –, und ebenso falsch war es, ein Drittel unserer Truppenkontingente aus den asiatischen Provinzen abzuziehen und die Gelder für das Heer zu kürzen.« Der Wesir legte einige mit Keilschrift beschriebene Tontäfelchen auf den Tisch. »Jetzt drohen wir die Königreiche Mitanni und Byblos zu verlieren. Das Reich Amurru haben wir wahrscheinlich schon verloren, was man daran sieht, dass König Aziru unter tausend Entschuldigungen die Zahlung des Tributs hinausschiebt. Hoheit, lass uns die Kornreserven benutzen, um das Heer zu stärken, und schicken wir Horemheb und seine Truppen in die asiatischen Provinzen. Es geht nicht mehr um Tributzahlungen, sondern darum, die Grenzen zu schützen. Außerdem können wir uns in Ägypten ruhiger fühlen, wenn Horemheb in Asien weilt. Ist er erst einmal weit fort, werden wir mithilfe von Mayas Streitwagen die Revolte niederschlagen, vorausgesetzt natürlich, du willigst ein, die Amun-Tempel wieder zu öffnen.«
»Ich habe Gesandte mit Geschenken zu Suppiluliuma und zu Aziru geschickt und den Königen bekräftigt, dass ich Frieden will. Ich bin sicher, dass sie auf mich hören werden.«
»Was?« Der Wesir sprang auf. »Ohne mich davon zu unterrichten? Hoheit, begreifst du denn nicht, was das bedeutet? Diese beiden kennen unsere inneren Probleme sehr genau. Sie werden deine Geste als ein Anzeichen von Schwäche auffassen, und noch bevor du dich versiehst, werden die Wagen der Hethiter die rote Wüste durchqueren und in das Delta eindringen!«
»Nakht, die Macht hat dein Herz verhärtet, darum kannst du nichts anderes mehr sehen als Krieg.«
»Und du bestehst darauf, die Sterne zu betrachten, Hoheit, aber die Wirklichkeit besteht nicht aus Sternen. Du blickst in den Himmel, und derweil drohst du in den Kloaken von Theben zu versinken.«
Nepher raufte sich seufzend die Haare. »Was du Wirklichkeit nennst, ist nur eine Sinnestäuschung. Die Träume von heute werden die Wirklichkeit von morgen sein. Was ist der wahre Irrsinn? Die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie uns erscheint oder wie sie sein müsste?«
»Hoheit, wie lautet deine endgültige Entscheidung?«
»Du hast mich gehört.« Nepher fuhr mit der Hand durch die Luft. »So stehe es geschrieben, und so sei es getan.«
Der Wesir hob die Schultern in einer Mischung aus Resignation und Ärger. Er stand auf, verbeugte sich und ging hinaus.
Nepher trat hinaus auf die mondbeschienene Terrasse. Geräuschlos glitt ein Boot über den Nil, der Bug war von Fackeln erhellt.
Sein Blick fiel auf die Statuette
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