Curia
dieses Tal und der Durchbohrte Felsen werden eindeutig beschrieben.«
»Und die Ausrichtung nach der Sonne?«
»Das Grab wurde genau an der Stelle gegraben, wo die Strahlen der aufgehenden Sonne hinfallen, wenn sie durch dieses Loch kommen.« Kassamatis zeigte auf den Durchbohrten Felsen.
»Was wird über das Datum gesagt? Sag mir genau, mit welchen Worten.«
»Warte … Ach ja, es heißt so: ›Am zehnten Tag des ersten Saatmonats im Jahr eins der Regierung von Tutanchamun‹.«
Er habe zwei Archäologen zu Rate gezogen, einen Engländer und einen Amerikaner, und beide hätten erklärt, dass das Datum nach dem ägyptischen Kalender der 10. November des Jahres 1332 vor Christus sei. Da die Ägypter kein Schaltjahr hatten und ihr Sonnenjahr um einen Vierteltag kürzer war als unseres, hatten die Archäologen das Datum korrigiert.
»Nachdem die Korrekturen durchgeführt waren«, schloss Kassamatis, »haben beide bestätigt, dass das Datum dem 28. September unseres Kalenders entspricht, also dem heutigen Tag. Zufrieden?«
Théo dachte an die umstrittene Festlegung des ersten Regierungsjahrs von Tutanchamun. Die Differenzen liefen auf vier Jahre mehr oder weniger hinaus. Er machte im Geist einige Rechnungen. Die maximale Schwankung konnte ein Tag vor oder ein Tag nach dem 28. September sein, was am Einfallswinkel der Sonne praktisch nichts änderte. Er fuhr sich mit dem Finger über den Nasenrücken. Wenn das Datum richtig war, blieb der Kreisel die einzige Erklärung.
»Entweder ist Tuts Papyrus eine Fälschung, aber das glaube ich nicht, oder das Grab muss sich auf jeden Fall dort befinden.« Kassamatis tippte mit dem Finger auf die Karte. »Hinter dieser Wand, was auch immer du dazu sagst.«
»Wird das Versteck im Papyrus explizit genannt und beschrieben? Ich meine das stufenförmige Felsmassiv.«
Kassamatis Miene verriet Überraschung. »Nein. Aber warum auch? Die Sonne zeigt doch die Stelle an.«
Théo lächelte ironisch. »Ich nehme an, als du die beiden Archäologen gebeten hast, das Datum umzurechnen, hast du ihnen nichts von der Ausrichtung nach der Sonne mithilfe des Lochs gesagt, oder?«
»Warum hätte ich das tun sollen? Damit sie womöglich dahinterkommen, worum es geht? Ich kenne die Wissenschaftler. Und ihr Archäologen seid bestimmt nicht anders.«
Théo brach in ein unbändiges Gelächter aus. »Du magst ja viel Geld haben, aber du bist und bleibst ein Ignorant.«
»Darf ich erfahren, was daran so komisch ist, du Angeber,?«
»Der Eingang zum Grab kann überall sein, außer in dieser Wand. Sagt dir der Ausdruck ›Präzessionsbewegung‹ etwas, du armer Milliardär?«
Erst sah Kassamatis ihn verblüfft an, dann biss er sich auf die Lippe. »Verflucht. Der Kreisel.«
»Genau, der Kreisel.« Spöttisch ließ Théo einen Finger in der Luft kreisen. »Der Erdachse gefällt es nun mal, sich in einem Winkel von dreiundzwanzig Grad zur Senkrechten über der Gerade des Äquators zu drehen. Sie spielt einem doch immer wieder einen Streich, die Erde, nicht wahr?«
Obwohl die Bewegung äußerst langsam war – eine komplette Präzession der Äquinoktialpunkte dauerte etwa 26 000 Jahre –, bewirkte sie doch eine Verschiebung der Tagundnachtgleiche nach Westen um einen Grad alle zweiundsiebzig Jahre.
»Und was bedeutet das dann praktisch?«
»Es bedeutet, dass der Kreisel auf das Jahr 1332 vor Christus zurückgebracht werden muss.«
»Könnte der Herr Professor für uns arme, ignorante Milliardäre bitte ein wenig ausführlicher antworten?«
»Man muss den Einfall der Sonne durch einen Winkel korrigieren, der den Graden der Präzession von 1332 vor Christus bis heute entspricht. Damals ging die Sonne mit Sicherheit nicht zwischen den Spitzen des Al-Manifa auf. Also fielen die Strahlen, die durch das Loch im Felsen drangen, nicht auf das Massiv. Ist es so klarer?«
»Kann man die angepasste Einstellung errechnen?«
»Natürlich kann man das. Es gibt Software dafür, und ich kenne jemanden, der sie hat.« Théo sah auf seine Uhr. »Jetzt ist es neun, also ist es in Frankreich sieben Uhr. In zwei Stunden rufe ich ihn an und bitte ihn, die Verschiebung zu berechnen.«
Théo drückte eine Taste auf dem GPS . Die Position des Massivs war noch gespeichert. Sein Blick wanderte über das sonnendurchglühte Wadi. Wo war das Grab? Noch zwei Stunden, und die Welt würde vielleicht nicht mehr dieselbe sein.
»Wenn man weiß, was man sucht, und bereit ist, alles zu wagen«, hatte die Herzogin
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