Curia
Ernennungen in Schlüsselpositionen der Weltwirtschaft und -politik an Leute gegangen sind, die zufällig weniger als zwölf Monate zuvor am jährlichen Meeting der Bilderberg-Gruppe teilgenommen haben? Ich bin Polizist, und an Zufälle glaube ich nicht, oh nein.«
So sei es auch durchaus kein Zufall, dass die geheime Jahresversammlung der Bilderberg-Gruppe immer im Frühling stattfand, vor den Zusammenkünften der G8, des Weltwährungsfonds und der Weltbank. Nach beendeter Versammlung zog die Führung der Gruppe ihre Schlussfolgerungen und teilte sie denjenigen mit, die sie angingen.
»Damit die G 8, der Währungsfonds und die Weltbank wissen, welche Hausaufgaben sie zu machen haben«, fuhr der Kommissar fort. »Natürlich wird vor den Fernsehkameras bedenklich die Stirn gerunzelt, aber nur, um ein bisschen Theater zu spielen.«
»Wenn ich recht verstanden habe, sind die Eingeladenen bei den Jahrestreffen keine Mitglieder der Gruppe. Was für Leute sind das?«
»Es sind alles Leute, die in der Gruppe nichts bedeuten. Die Bilderberger nennen sie den ›Äußeren Kreis‹.«
Jedes Jahr lade der Lenkungsausschuss der Bilderberg-Gruppe 120 Führungspersönlichkeiten zu der Jahresversammlung im Frühling ein: Vorstandsvorsitzende von multinationalen Trusts, Banken, Medienkonzernen, außerdem Minister und wichtige Ratgeber aus Westeuropa und Nordamerika.
Das Treffen finde meist in einem Luxushotel statt, das dann für normale Gäste geschlossen und von Polizeikräften und dem Geheimdienst des gastgebenden Landes sogar mit Hubschraubern, die über der Umgebung kreisten, bewacht werde.
»Sie gehen sogar so weit, Geheimagenten unter das Personal zu schmuggeln.«
Die Versammlung dauerte von Donnerstag bis Sonntag. Diese drei Tage waren vollgepackt mit Vorträgen über die geheim gehaltenen Themen auf der Tagesordnung, außerdem fanden während der Mahlzeiten Treffen in kleinerem Kreis statt.
»Was ist der eigentliche Grund für die Einladung?«, fragte Raisa.
»Ganz einfach.« Der Kommissar leerte sein Glas.
»Die Gründe für die Einladung sind zwei. Erstens: die Weltentwicklung in die Richtung steuern, die sie wollen. Dafür holen sie Informationen aus Leuten raus, die in Schlüsselpositionen sitzen. Auf diese Weise können sie dem Steuerruder des Schiffs immer dann einen Stoß geben, wenn der Kurs ihnen nicht passt. Zweitens: die Jasager aussuchen, die auf Führungspositionen platziert werden sollen.«
»Warum gehen diese Leute auf die Versammlungen? Sie wissen doch wohl, warum sie eingeladen werden, oder?«
»In der Psychoanalyse nennen Sie es das ›Ego‹, glaube ich«, sagte der Kommissar. »Sie schmeicheln damit nicht nur ihrem Ego, sie nehmen auch teil, weil sie vom Krebs der Macht zerfressen sind. Sie wissen genau, dass die Führung der Bilderberg-Gruppe den Klassenbesten – denen, die nicht in der Öffentlichkeit gerülpst und nicht in der Nase gebohrt haben – ein hübsches Geschenk machen wird.«
»Wer entscheidet über die Einladungen? Der Lenkungsausschuss?«
»Eine Gruppe aus sechsunddreißig Personen, die die Vereinigten Staaten, Kanada und die Länder Westeuropas vertreten. Einer oder zwei pro Land.«
»Aber das sind offenbar nicht diejenigen, die kommandieren. Wer steht an der Spitze der Bilderberg-Gruppe?«
Eine Kellnerin brachte ihnen zwei Portionen Rhabarbertorte mit zwei Gläschen Armagnac.
»Wer kommandiert? Zwölf Personen, die sich ›Beratungskomitee‹ nennen.« Der Kommissar teilte ein Stück von der Rhabarbertorte ab. »Mit ›Beratung‹ hat das allerdings herzlich wenig zu tun.«
Die ersten Regentropfen fielen auf die Terrasse. Ein Ober drehte an einer Kurbel, und eine große Markise spannte sich über den Tischen auf.
»Sie wollen damit sagen, eine Gruppe von zwölf Menschen lenkt die Welt?«
»Das trifft fast zu.«
»Warum ›fast‹?«
»Weil in der Bilderberg-Welt das Gesetz des Dschungels herrscht. Der Professor hat mir gesagt, dass auch die Huskymeuten am Polarkreis einen Leithund bestimmen. Kein Wunder also, dass auch diese zwölf ihren Leithund haben.«
Raisas Hand umklammerte das ankh . »Sie wissen, wer es ist, nicht wahr?«
Das leise Klopfen des Regens auf der Markise verband sich mit der Stimme von Françoise Hardy, die Pars sang.
»Roy Fitzwilliam.«
»Der Finanzier?«
»Genau der.«
»Commissario, warum erzählen Sie mir das alles?«
»Ich dachte, das wäre klar.«
»Sie wollen doch nicht etwa sagen … dass diese zwölf Vanko ermorden ließen? Und
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