Curia
anhalten.«
»Anhalten? Warum sollten sie das tun?«
»Wir erwarten jeden Augenblick einen Angriff der Hethiter. Der Großteil von Horemhebs Truppen ist schon auf der Straße von Horus postiert.«
Nepher würde dadurch einen Vorsprung von mindestens einem Tag haben. Horemheb wäre verrückt, einen Teil seiner Streitkräfte abzuziehen, nur um Nepher ohne Wasservorräte in der Wüste zu suchen und ohne die Richtung zu kennen, die er eingeschlagen hatte.
»Nun, Hoheit, wie lautet deine Entscheidung?«, fragte der Wesir.
Mit einem Ruck hob Nepher den Kopf von der Rückenlehne. Nach ihm würde kein anderer Pharao mehr die Flügel des Phönix tragen. Seine Aufgabe war noch nicht beendet.
»Ich werde aufbrechen. Lass die Würdenträger und die Hofbeamten wecken. Fragt sie, ob sie mich begleiten wollen.«
»Die achte Stunde hat bereits begonnen! Verstehst du nicht, dass deine Stunden gezählt sind?«
»Ich kann sie hier nicht zurücklassen. Sie haben mir geholfen, und Ay und Horemheb werden ihnen das nicht verzeihen.«
Der Wesir rollte den Papyrus zusammen. »Auch das tue ich noch, bei Apophis, aber ich bezweifle, dass es einen großen Andrang von Leuten geben wird, die mit dir gehen wollen, abgesehen von denen, die gute Gründe haben zu verschwinden.«
»Nakht, warum hilfst du mir? Du hättest in Theben bleiben und abwarten können, dass das Schicksal sein Werk verrichtet.«
»Ich tue es nicht für dich, Hoheit, sondern einzig wegen meiner Treue zur Dynastie der Thutmosis.«
»Deine Treue ist schmerzlicher als die Pfeile der Hethiter.«
»Was hast du erwartet? Beim Tod deines Vaters war Ägypten auf dem Gipfel seiner Macht. Und jetzt?« Der Wesir zeigte auf ein Fenster, hinter dem die mondbeschienenen Hügel lagen. »Weißt du denn nicht, was jenseits der Stelen deiner Stadt Achet-Aton vor sich geht? Das Land liegt am Boden! Die Provinzen sind verloren, oder sie zahlen keinen Tribut mehr, die Asiaten drängen am Delta vor, das Volk stirbt den Hungertod, und Theben wird vom Bürgerkrieg zerrissen. Wofür, Hoheit? Für ihn?« Er zeigte auf ein Wandgemälde Atons. »Sieh dich an! Du hast alles verloren: deine Krone, dein Volk, deine Familie und deine Freunde. Wo verbergen sich die schützenden Strahlen deines Gottes?«
Die Worte des Wesirs verhallten zwischen den Säulen des menschenleeren Saals. Nepher blieb stumm, den Kopf zwischen den Händen.
»General Maya wird seinen Männern befehlen, ins Viertel der Adeligen zu gehen und in jeder Villa jene zu wecken, die du genannt hast. Unterdessen sage ich dem Kämmerer, er soll dein Gepäck vorbereiten.« Der Wesir hatte schon ein paar Schritte auf den Ausgang zu gemacht, als er sich umdrehte. »Und Anchesenpaaton? Hast du an sie gedacht?«
»Sie wird hierbleiben.«
»Eine sehr gute Entscheidung. Sie wird bald Königin sein.«
Nakht ging eilig mit dem General hinaus. Wenig später ertönten scharfe Befehle aus dem Hof, gefolgt von Peitschenknallen und dem Klappern von Hufen.
Nephers Hand zerrte an einem Zipfel seines Nemes-Kopftuchs. Und wenn Ay und Horemheb ihn einholen und töten würden? Er durfte nicht warten. Er musste sofort tun, was noch zu tun blieb. Vor seinem Aufbruch.
Eilig setzte er sich an seinen Tisch, nahm ein Blatt Papyrus und tauchte den Griffel in das Tintenfass.
Als er fertig war, rollte er den Papyrus zusammen, erhitzte die Spitze eines roten Harzstäbchens über der Kerzenflamme und drückte sie auf den Rand des Blattes, sodass er mit der Rolle verklebte. Zuletzt presste er seinen Siegelring in den Wachsfleck. Er schlug den Gong und befahl seinem Sekretär, den Schreiber Pentju zu holen.
»Ich weiß, dass du mir immer treu ergeben warst«, sagte Nepher.
»Hoheit«, sagte Pentju, »du weißt, dass ich mit dir ginge, wenn ich nicht zu alt wäre.«
»Ich brauche einen letzten Dienst von dir. Noch heute.«
»Verfüge über mich.«
»Du musst sofort nach Iunu aufbrechen, wo du nach dem Hohepriester Wadjmosis fragen wirst.« Nephers Gedanken gingen zu seinem Lehrer Meryre, der in seiner ewigen Wohnstatt auf den Hügeln im Norden von Achet-Aton ruhte. »Ihm wirst du diesen Papyrus aushändigen. Er weiß, was zu tun ist.«
»Ich werde sofort abreisen, Hoheit.«
Nepher ging zum Audienzsaal zurück und durchquerte ihn langsam. Er blieb vor den Fenstern stehen, die auf die königlichen Gärten blickten. Im Wasser der Zierbecken spiegelte sich das Mondlicht, aus einem Sykomorengebüsch erhob sich der Schrei einer Eule.
Ihm war, als hörte er
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