Curia
Durch den Stoff eines Zeltes drang der Schein einer Lampe und wies ihm den Weg. Er kratzte am Zelt. Im Inneren huschte ein Schatten über den Zeltstoff.
» Bienvenido , Vicente.«
» Buenas tardes , Alexis.«
49 ACHET-ATON, KÖNIGSPALAST, SIEBZEHNTES JAHR DER REGENTSCHAFT ECHNATONS
Ein Schatten zeichnete sich hinter den vom Mond beschienenen Vorhängen ab, und eilige Schritte hallten durch den Raum.
»Hoheit, Hoheit … Wach auf, schnell!«
»Wie …? Wer ist da? Was ist los?«
»Vergib mir, Hoheit, aber der Wesir Nakht hat mir befohlen, dich zu wecken«, sagte der königliche Kämmerer. »Er erwartet dich im Audienzsaal. Er bittet dich, schnell zu kommen.«
»Wie spät ist es denn?«
»Es ist die siebte Nachtstunde, Hoheit. In Theben scheint man an Schlaflosigkeit zu leiden.«
Nephers hastige Schritte erklangen zwischen den Säulen des Audienzsaals. Durch die Fenster zu den Innenhöfen drangen aufgeregtes Stimmengewirr und das Scharren vieler Füße. Der Wesir erwartete ihn vor dem Thron, einen Papyrus in der Hand.
»Nakht, was ist los?« Nepher band sich einen Gürtel um die leinene Tunika.
»Hoheit, noch vor heute Abend werden zehntausend Soldaten und dreimal hundert Streitwagen Theben in Richtung Achet-Aton verlassen. Horemheb und Ay haben sich verbündet. Du musst fliehen. Sofort, wenn du dein Leben retten willst.«
»Achet-Aton und die Zwei Länder verlassen? Niemals. Niemand wird es wagen, die Hand gegen den Pharao zu erheben.«
»Die Informanten des Oberbefehlshabers der Polizei sagen, dass die beiden schon deinen Nachfolger bestimmt haben.«
»Wen?«
»Deinen Halbbruder. Semenchkare.«
Nepher blieb stumm.
»Hoheit, ein Augenblick der Feigheit ist besser, als sein Leben lang tot zu bleiben. Überleg es dir, aber schnell.«
»Es gibt eine andere Art von Feigheit, die viel schlimmer ist. Zu wissen, was richtig ist, und es nicht zu tun.«
»Tote Helden nützen nichts und niemandem. Manchmal braucht es mehr Mut weiterzuleben, als zu sterben.«
Nepher ließ sich auf den Thron fallen und strich sich über das Gesicht.
»General Maya hat mich mit fünfzig Streitwagen der Königlichen Leibgarde aus Theben begleitet. Sie werden deine Eskorte sein. Wir haben einen Fluchtplan ausgearbeitet. Es gibt nur ein mögliches Ziel: das Land Midian.«
»Das Land Midian? Aber das ist eine Wüste, und sie liegt jenseits des Roten Wüstenlandes. Dorthin führt keine Karawanenstraße.«
Durch die Gänge des Palastes schallte das Trampeln eiliger Schritte, zwei Königliche Garden liefen zwischen den Säulen hindurch.
»Aber es ist auch der einzige Ort, wo du keinem ägyptischen Soldaten begegnen wirst.« Der Wesir rollte den Papyrus auf, um ihm die auf einer Karte eingezeichnete Strecke zu zeigen. »Der sicherste Weg dorthin ist, von Unterägypten bis hinauf zum Großen Bittersee zu ziehen und zwischen dem Südufer des Sees und dem Östlichen Meer direkt in Richtung Ezion Geber zu marschieren.«
Die Wagen der Königlichen Leibgarde sollten Nepher und sein Gefolge bis zum See begleiten. Dort würde Nakht ihnen Esel, Lebensmittel und Wasservorräte für vier Tage bereitstellen lassen. Das reichte, um bis zur Oase von Nakhl zu gelangen. Wegen der Wasserschläuche würden die Esel nicht so schnell laufen können. Wenn sie vierzehn Stunden am Tag wanderten, natürlich zu den kühleren Tageszeiten und in der Nacht, würden sie acht Tage brauchen, um die vierzig iteru zurückzulegen, die den See von Ezion Geber trennten. Die einzige Rast würde an der Oase von Nakhl stattfinden, wo sie neue Wasservorräte aufnehmen konnten.
»Wenn du das Rote Wüstenland in Richtung Südosten durchquerst, meidest du die Straße von Horus.« Der Wesir fuhr die Strecke mit dem Finger ab. »Du wirst hier entlangziehen, nördlich vom Tempel der Hathor und vom Berg Serabit. So kommst du nicht über die Straße des Südens und meidest die Festungen, die die Kupferminen bewachen.«
»Welchen Sinn hat es zu fliehen? Horemheb und Ay werden mich einholen. Ich sage das nicht um meinetwillen, sondern für die, die mich begleiten. Soll ich sie in einer Wüste in den Tod führen?«
Auf der Schwelle erschien ein Offizier der Streitwagen. Die Flammen eines Glutbeckens spiegelten sich im goldenen Brustpanzer des Generals. Mit einer Hand auf die Wasseruhr weisend, blickte der Offizier den Wesir an. Der bedeutete ihm zu warten.
»Niemand wird sterben. Wenn die beiden an die Grenzen des Roten Wüstenlandes gelangen, werden sie
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