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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Jung’schen Archetypus vom weisen alten Mann, oder gab es für ihn ein reales Vorbild? Waren die Bücher Thoths nur die Frucht des Zusammentreffens zwischen alchemistischen Phantasien, wie sie in den ersten Jahrhunderten christlicher Zeit in Alexandria aufkamen, und dem kollektiven Unbewussten Jungs, oder hatte es sie wirklich gegeben?
    Die Tischpendüle aus vergoldeter Bronze schlug, und ihr Klang hallte im Arbeitszimmer wider.
    Das Geheimnis der Unsterblichkeit. Heutzutage eine lächerliche Vorstellung, doch nicht für das alte Ägypten. Die Ägypter hatten sich nicht damit begnügt, an die Unsterblichkeit zu glauben: Sie hatten sich für unsterblich gehalten. »Ich werde bis ans Ende aller Zeiten mit meiner Seele und meinem Leib existieren«, hieß es im Totenbuch.
    Raisa berührte den Anhänger in Form des ankh , den sie an einer Kette um den Hals trug. Sie fühlte, wie eine alte Melancholie sie überkam, und schlug ein Buch über Theosophie auf. Auf einer Seite war eine Papyrusrolle abgebildet, die in der Wand eines Tempels in einer Nische lehnte, und über dem Tempel erstrahlte ein Feuerball. Es hieß, die Bücher Thoths hätten die Formeln enthalten, mit deren Hilfe das ka – der »leichte Körper« der ägyptischen Theologie, der das Gegenteil des physischen Körpers war – sich in einen Körper aus unsterblichem Licht verwandeln konnte, der den Gesetzen der dreidimensionalen Welt nicht unterworfen war. Eine Legende?
    Sie griff nach der Kopie der Handschrift von Theon. Er sprach vom Papyrus aus dem Tempel des Ra-Harmakhis mit dem wahren Bericht vom Exodus, aber auch von Initiationsriten und einer geheimen Bruderschaft, die einander die »Mysterien Thoths« weitergab. Ihr Blick fiel auf die Bücher, die sich auf ihrem Schreibtisch stapelten. In theosophischen Abhandlungen war von esoterischen Ritualen der Priester im alten Ägypten die Rede, aber keine esoterische Quelle erwähnte eine Bruderschaft mit Namen »Schule der Mysterien Thoths«. Worin bestanden diese Geheimnisse Thoths? Hatten sie etwas mit der Halle der Aufzeichnungen zu tun?
    Theons Handschrift schien auf etwas hinzudeuten, das weit über die Häuser des Lebens in den ägyptischen Tempeln hinausging. Eine Mysterienschule, die in der Dunkelheit des heiligsten Bezirks des Tempels von Ra-Harmakhis zusammenkam … Eine Mysterienschule, in der geheime alte Rituale weitergegeben wurden … Eine Mysterienschule, der wenige Auserwählte angehörten: die Pharaonen und die Hohepriester von Heliopolis.
    Echnaton, ein nie enthülltes Geheimnis. Als Pharao war er einer der Initiierten der geheimen Bruderschaft gewesen, von der Theon sprach. Als Initiierter musste er das Geheimnis Thoths gekannt haben. War es das, was der Pharao im Obelisken versteckt hatte?

    Die Augen auf die Kopie des Briefes von Marsilio Ficino geheftet, streckte Monsignore Guzman seine Hand nach einer silbernen Zuckerdose aus. Er schüttete sich drei Löffel Zucker in ein Tässchen aus Wedgwood-Porzellan und rührte den Kaffee um.
    Cosimo de’ Medici hatte sich das Corpus Hermeticum 1462 durch Leonardo da Pistoia beschaffen lassen. Von wem mochte der Mönch es bekommen haben? In dem Pergament war von Mazedonien die Rede. Mit abwesendem Blick rührte er weiter in seinem Kaffee. Vielleicht hatte der Mönch es von einem anderen Ordensbruder erhalten. Wahrscheinlich. Derartige Schätze gab es damals nur in Klosterbibliotheken oder Adelssitzen.
    Er trank den Kaffee in einem Zug aus, säuberte den Grund der Tasse mit dem Löffel und schnalzte mit der Zunge.
    »… gelangte ich durch die Mönche des heiligen Berges in den Besitz eines Pergaments.« Heiliger Berg … Oye . Was sollte das bedeuten? Dieser Berg war der Schlüssel des Geheimnisses.
    Theon schrieb, er habe Plutarch durch einen Boten zusammen mit seinem Schreiben einen geheimen Papyrus aus der Bibliothek übersandt. Wenn diese Mönche Theons Schreiben besessen hatten, dann mussten sie auch den Papyrus gehabt haben. Und vielleicht hatten sie ihn immer noch, wenn der Orden und das Kloster noch existierten.
    Mit zusammengepressten Lippen machte der Monsignore sich Notizen, dann starrte er brummend auf den Notizblock. Die originalen Papyri von Manetho waren mit der Bibliothek verbrannt. Dieser Manetho! Ein schamloser Lügner, wie alle heidnischen Priester.
    Er stützte die Ellenbogen auf den Empire-Schreibtisch und trommelte mit den Fingern auf die Platte. Also blieb der Papyrus, den Theon an Plutarch geschickt hatte, das einzige

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