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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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noch einmal, Manethos Bericht ist so wenig glaubwürdig wie seine Aufzählung der Pharaonen.«
    Ihre Miene verriet ihm, dass sie weit mehr wusste, als sie sagte. Es gab nur einen Weg, um das herauszufinden: Er musste sie in Rage bringen.
    »Kein Wunder, dass die Bibel beim Exodus und bei Jahwe ein bisschen nachgebessert hat«, sagte Théo. »Eine Schar leprakranker Ägypter und ›Unreiner‹, die Baal anbeteten, von einem ägyptischen Moses ganz zu schweigen, wären wohl kaum würdige Ahnen für das ›auserwählte Volk‹ gewesen«, sagte Théo.
    »Wenn es darum geht, die Juden zu verleumden, bist auch du in vorderster Front, nicht wahr, Herr ›Die-Religion-hat-nichts-damit-zu-tun‹?«
    »Verleumdungen?« Théo klopfte mit dem Finger auf Ficinos Brief. »Auch Apion spricht von einem ›Auszug der Leprakranken, Blinden und Krüppel‹ und bestätigt, was Manetho schreibt.«
    »Aus Apions Büchern spricht der reinste Judenhass. Ich empfehle dir, eine zuverlässigere Quelle zu suchen.«
    »Andere Historiker schreiben dasselbe wie Apion. Auch sie Judenhasser? Alle miteinander?«
    »Diese Historiker hielten sich alle an die Aegyptiaca . Manetho war nicht nur ein mittelmäßiger Geschichtsschreiber, was er schrieb, war auch durch Konflikte beeinflusst, von denen du offenbar nichts weißt.«
    »Konflikte? Was für Konflikte?«
    »Manetho war ein Hohepriester von Heliopolis und schrieb die Aegyptiaca im Auftrag von Ptolemaios II. Philadelphos. Und der musste seine Herrschaft über das einstige Land Kanaan festigen. Eine Geschichte wie die von Manethos achtzigtausend Mann und ein ägyptischer Moses, der Hohepriester von Heliopolis war, mussten ihm doch sehr gelegen kommen, meinst du nicht?«
    »Willst du sagen, dass Manetho absichtlich gelogen hat, weil er vom König dazu gezwungen wurde?«
    »Nein, eine andere Erklärung ist wahrscheinlicher. Ptolemaios II. ›verbesserte‹ die Kopien des Originaltextes, bevor er sie verteilen ließ.«
    »Eine Fälschung?«, fragte Théo. »Warum sollte er das getan haben?«
    »Die Fälschung gilt als sicher, und sie nützte ihm.«
    Schon bald nach Vollendung der Aegyptiaca kamen gefälschte Kopien des Werks in Umlauf, erst in Alexandria, dann in der gesamten römischen Welt.
    »Die Originale der Aegyptiaca wurden beim Brand der Bibliothek von Alexandria zerstört, darum weiß niemand, was im ursprünglichen Text stand. Die Historiker, die du so gern zitierst, arbeiteten mit Fälschungen«, sagte Michaela.
    »Aber dieser Exodus von Aussätzigen und habiru deckt sich mit den Lepraepidemien jener Zeit.«
    Es war nicht schwierig, sich die zerlumpten Heerscharen vorzustellen, die, aus Ägypten vertrieben, unter den Augen der Beduinen der südlichen Negevwüste aus dem Sinai über die Grenze nach Kanaan zogen.
    »Es waren Josias Schreiber, die dafür sorgten, dass aus diesen Unglücklichen die Israeliten der Bibel wurden«, sagte Théo. »Wie? Ganz einfach: Sie verschmolzen die Vertreibung der Hyksos und den Auszug der leprösen habiru zu einer einzigen Geschichte.«
    »Du willst dir um jeden Preis deine eigene Wahrheit konstruieren, was?«
    »Ach, geh mir doch weg mit der Wahrheit! Wenn es wirklich Jahwe war, der den Verfassern die Bibel eingegeben hat, dann verdient er einen Oscar als größter Lügner aller Zeiten.«
    »Sehr witzig.« Michaela klatschte spöttisch lächelnd in die Hände. »Und jetzt? Willst du einen Appell an die Welt richten? Dein Wort gegen das Wort Mose?«
    »Jetzt kann ich das Unmögliche aussondern und am Grund kratzen. Aber ich werde mir die Finger blutig kratzen müssen, um etwas zu finden.«
    »Wenn das Unmögliche Gott heißt, wird alles möglich. Genau das ist der Unterschied zwischen uns beiden.«
    »Wenn man blindlings ein Dogma nachbetet«, Théo wedelte mit der Bibel, »egal, welches, hört man auf, als Mensch zu wachsen. Du brauchst einen Blindenhund, wenn du dich bewegen willst, ich nicht. Das ist der Unterschied zwischen uns beiden.«
    »Viel Glück.« Michaela stand auf und ging zur Tür, ohne sich umzudrehen. »Du wirst es brauchen. Mit oder ohne Hund.«
    Kaum hatte sie die Tür geschlossen, klappte Théo die Bibel mit einem Ruck zu. Es hatte keinen Sinn, mit jemandem zu diskutieren, der einem das Wort »Glauben« an den Kopf warf. Das leise Klicken des Füllfederhalters begleitete seine Gedanken.
    Die Vertreibung der Hyksos konnte Vankos Ermordung ebenso wenig erklären wie Manethos Auszug der Leprösen. Auch bei diesem Exodus gab es kein Geheimnis:

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